Islamwissenschaftler Wilfried Buchta fürchtet weitere Bürgerkriege in Syrien

Der Berliner Islamwissenschaftler Wilfried Buchta rechnet mit weiteren Bürgerkriegen in Syrien und im Irak. Im Deutschlandfunk sagte Buchta am Sonntag, die Terrororganisation "Islamischer Staat" habe in den beiden Ländern zwar an Boden verloren, aber es sei falsch, sie vollkommen abzuschreiben.

Der IS sei in entlegene Wüstengebiete und in den Untergrund der größeren Städte abgedrängt worden. Die Phase des militärischen Kampfes gehe zu Ende. Nun steht nach Ansicht von Buchta der Einsatz von Polizei und Geheimdienst gegen den IS im Vordergrund. Der Erfolg der Sicherheitskräfte sei aber abhängig vom Vertrauen und der Kooperation der Zivilbevölkerung.

Wichtig ist nach den Worten Buchtas, die zerstörten Städte im Irak und in Syrien wieder aufzubauen und den Sunniten Angebote zur Teilhabe an der Macht zu machen. Sollten die Sunniten weiter unterdrückt werden, würde der "Islamische Staat" unter ihnen viele neue Anhänger finden. Die schiitisch dominierten Regierungen in Damaskus und Bagdad sähen in den Sunniten Feinde und misstrauten ihnen. Dieses Misstrauen müsse überwunden werden, wenn die Regionen einen dauerhaften Frieden finden wollten, sagte der Islamwissenschaftler. Er sei in dem Punkt aber wenig zuversichtlich.

Buchta hat von 2005 bis 2011 in Bagdad als politischer Analyst für die UN-Mission im Irak gearbeitet. Er hat zuletzt mehrere Bücher darüber veröffentlicht, wie der militante Islamismus die arabische Welt eroberte.

Unterdessen haben wenige Tage vor einer neuen Runde von UN-Friedensgesprächen über Syrien die Streitkräfte von Präsident Baschar al-Assad und Russlands ihre Angriffe auf Stellungen der Rebellen in mehreren Landesteilen verstärkt. Nach Angaben der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden am vergangenen Sonntag mindestens 23 Menschen durch Beschuss und Luftangriffe in Ost-Ghuta getötet. Das russische Verteidigungsministerium berichtete zudem von einem Einsatz von sechs Langstreckenbomben des Typs Tu-22M3. Diese hätten Ziele der Extremistenmiliz IS in Deir al-Zohr am Euphrat bombardiert.

Ost-Ghuta ist eines von mehreren Gebieten, die zu "De-Eskatalionszonen" erklärt wurden. Die syrische Armee hat die Region nordöstlich der Hauptstadt Damaskus seit 2012 abgeriegelt. Seither gelangen dorthin kaum noch Nahrungsmittel, und die Bevölkerung leidet nach Angaben des Welternährungsprogramms der UN Hunger. Vor rund zwei Wochen begann die Armee mit russischer Luftunterstützung eine Offensive gegen Ost-Ghuta, bei der nach Angaben der Beobachtungsstelle mindestens 127 Menschen getötet wurden, darunter 30 Kinder. Rebellen beschossen von Ost-Ghuta aus in dieser Zeit auch immer wieder die Hauptstadt Damaskus.

Am Dienstag soll in Genf ein neuer Anlauf der - von den UN vermittelten - Syrien-Friedensgespräche beginnen. In mehreren Verhandlungsrunden haben sich die Konfliktparteien bislang weder auf Fortschritte hin zu einer politischen Lösung noch zur Beendigung des Bürgerkrieges verständigen können. (KNA/Reuters)