"Islamic Fashion" - heftiger Zoff um muslimischen Stoff

Debatten um die Verhüllung muslimischer Frauen nehmen in Frankreich schnell hysterische Züge an. Und auch der frisch entbrannte Streit um sogenannte Islamic Fashion - um modische Kleidung für Musliminnen - hat schnell Dimensionen erreicht, bei denen viele sich verwundert die Augen reiben. In dem Land, das noch traumatisiert ist von den islamistischen Anschlägen vom 13. November, wird gerade mit scharfen Worten über Mode, Religion und Frauenrechte gestritten - Kleidung wird zum Politikum.

Am Anfang der Debatte steht die Sozialistin Laurence Rossignol, französische Ministerin für Familie, Kinder und Frauenrechte. Sie empörte sich in einem Interview über große Modefirmen wie Marks & Spencer, Mango und Uniqlo, die schicke Kleidung für praktizierende Musliminnen anbieten, etwa den bekannten Ganzkörperbadeanzug Burkini - eine Wortschöpfung aus Burka und Bikini - und das Hidschab-Kopftuch.

"Unverantwortlich" sei das von den Herstellern, wetterte die Ministerin: "Sie entziehen sich ihrer sozialen Verantwortung und werben in gewisser Weise für ein Einsperren des weiblichen Körpers." Als der Interviewer entgegenhielt, einige muslimische Frauen trügen die Kleidung aus freien Stücken und ganz bewusst, setzte Rossignol zu einem Vergleich an, den sie schnell bereuen sollte: "Es gab auch amerikanische Neger, die für die Sklaverei waren."

Über die Ministerin brach sofort ein Sturm der Entrüstung herein. Nicht nur wegen des Wortes "Neger", für das sie sich schnell entschuldigte. Der Präsident der Beobachtungsstelle für Islamfeindlichkeit, Abdallah Zekri, warf Rossignol eine "Stigmatisierung" muslimischer Frauen vor und legte später noch einen drauf: Die Ministerin helfe den Anwerbern der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat. Fast 20.000 Menschen unterschrieben bis Donnerstag eine Online-Petiton für einen Rücktritt der 58-Jährigen.

Rossignol erhielt aber auch Beistand: Der bekannte Geschäftsmann Pierre Bergé, langjähriger Lebenspartner des Modeschöpfers Yves Saint Laurent und Mitbegründer des gleichnamigen Modehauses, findet die islamisch angehauchten Angebote der westlichen Bekleidungsfirmen "skandalös". "Ich dachte immer, dass ein Modeschöpfer dazu da sei, Frauen schöner zu machen, ihnen Freiheit zu geben, und nicht Komplizen dieser Diktatur zu sein, die Frauen dazu zwingt, sich zu verstecken."

"Verzichtet auf Geld, habt Überzeugungen!", rief Bergé den Anbietern der Islamic Fashion zu. Und die bekannte französische Modeschöpferin Agnès Troublé warnte davor, solche Bekleidung zu "verharmlosen".

Die laizistische Modenation Frankreich, in der mehr Muslime leben als in jedem anderen europäischen Land, ringt schon seit langem mit dem richtigen Umgang mit muslimischer Kleidung. Vor rund fünf Jahren trat ein umstrittenes Burka-Verbot in Kraft.

Schon 2004 war an Frankreichs öffentlichen Schulen verboten worden, die Religionszugehörigkeit offen zur Schau zu stellen - was insbesondere auf muslimische Kopftücher abzielt. Vor einem Jahr sorgte der Fall einer muslimischen Schülerin für Aufsehen, die vom Unterricht ausgeschlossen wurde; die Direktorin interpretierte einen langen schwarzen Rock der 15-Jährigen als religiöses Symbol.

Hinter solchen auf den ersten Blick verwunderlichen Auseinandersetzungen steht die Sorge, junge Muslime könnten sich von der Gesellschaft abkapseln - und in einer geschlossenen Gemeinschaft radikalisieren. Gerade nach den Anschlägen von Paris und Brüssel liegen die Nerven blank.

Erst kürzlich sorgte Städtebauminister Patrick Kanner mit der Aussage für Wirbel, in Frankreich gebe es "rund hundert" Problemviertel, die Ähnlichkeiten mit Molenbeek hätten, dem wegen seiner Dschihadistenszene berüchtigten Brüsseler Stadtteil, aus dem mehrere der Paris-Attentäter stammten.

Die aufgeheizte Stimmung erklärt, warum der Streit um modische Burkinis so schnell ausarten konnte. Für den muslimischen Blogger Fateh Kimouche eine vollkommen unnötige Polemik: Das Angebot der großen Marken sei ganz einfach eine Reaktion auf die Nachfrage, "dahinter stehen keine dicken Bärtigen", sagt er. "Man sollte vielleicht ein bisschen pragmatisch sein." (AFP)

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