Islamforscher Mathias Rohe: Islamismus wird in Deutschland nicht unterschätzt

Nach Ansicht des Erlanger Islamwissenschaftlers und Juristen Mathias Rohe wird der Islamismus in Deutschland nicht unterschätzt. "Wir haben hier die Augen offen", sagte Rohe dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die Schwierigkeit bestehe darin, dass es andere Radikalisierungs- und Täterstrukturen gebe als früher. Die Täter seien häufig Einzelkämpfer, die sich im Internet oder in kleinen, abgeschirmten Zirkeln radikalisierten. Manchmal passiere das sehr schnell. Es sei schwieriger für die Sicherheitsbehörden geworden, an Täter frühzeitig heranzukommen.



„Wir müssen damit rechnen, dass auch hier mal wieder etwas passieren kann. Aber wir dürfen uns jetzt deswegen nicht im Panik versetzen lassen“, sagte der Professor für Bürgerliches Recht. Stattdessen müssten Präventionsmaßnahmen ergriffen werden. Bei aller

Wachsamkeit dürften aber nicht die Falschen in Sippenhaft genommen werden. Etwa auf IS-Rückkehrer müsse ein Auge gehalten werden, sagte Rohe.

Es gebe allerdings auch nicht den „typischen“ IS-Rückkehrer. Manche seien nach wie vor radikalisiert und gefährlich. Andere seien frustriert und desillusioniert zurückgekommen. Um diese Personen kümmere man sich im Zuge eine Deradikalisierung und Reintegration.

„Wir müssen vor allem auch die zurückgekehrten Frauen im Auge behalten“, betonte der Islamwissenschaftler. Ihnen könne man strafrechtlich relevante Taten schwer nachweisen, wisse aber, dass sie teilweise noch radikale Ideen vertreten. Nicht wenige von ihnen

hätten auch Kinder, an die sie islamistische Ideologien weitergeben könnten.

Kein einheitliches Verständnis für den Begriff „politischer Islam“



In der jüngsten Debatte über den „politischen Islam“ warb Rohe dafür, weiter von Islamismus und islamistisch motivierten Terrorismus zu sprechen. Es gebe in Deutschland kein einheitliches Verständnis für den Begriff „politischer Islam“.

Nach seiner Einschätzung gehe es in der jüngsten Debatte vor allem darum zu zeigen, dass die Gefahr des Islamismus und islamistischer Gewalt immer eine Vorgeschichte habe, sagte er. Unter Islamisten seien Menschen zu verstehen, die versuchten, eine Gegenordnung durchzusetzen, die dem demokratischen Rechtsstaat widerspreche. Dabei gehe es nicht um eine persönliche traditionelle oder konservative Lebensweise.



Die Debatte könne gefährlich werden, wenn Muslime oder Moscheeverbände pauschal verdächtigt würden. Notwendig sei ein problemorientiertes Vorgehen. «Wodurch wird der säkulare Rechtsstaat herausgefordert, wer sind die Akteure, welche Ideologien stecken

dahinter und was sind die Methoden? Da gibt es Radikalismus von rechts, von links und natürlich auch religiös konnotiertenRadikalismus», sagte Rohe.

«Es ist eine Zumutung, wenn die muslimische Bevölkerung sich immer von vorneherein erklären müsste, dass sie zwar Muslime sind, aber trotzdem verfassungstreu.» Das sei eines Rechtsstaats nicht würdig. (epd).