Iraks religiöse Minderheiten wollen Neuanfang nach Sieg über Dschihadisten

Ihre Glaubensbrüder wurden ermordet, versklavt oder vertrieben, ihre Gebetsstätten verwüstet, ihre Häuser zerstört - unter der Herrschaft des Islamischen Staats (IS) haben Iraks religiöse Minderheiten mehr als alle anderen gelitten. Nun, da die sunnitische Extremistengruppe offiziell für besiegt erklärt ist, machen sich Christen, Schabak und Jesiden an den Wiederaufbau ihrer Heimat. Die ersten Klöster und Kirchen wurden schon restauriert, Tempel wieder hergerichtet, und auch neue Schulen wurden gebaut.

"Wir müssen ein Heiligtum bauen, das noch schöner und größer ist, um dem IS zu zeigen, dass er nicht gewonnen hat", sagt Mutassem Abed. Der 47-Jährige ist einer von rund 60.000 Angehörigen der Schabak - einer Volksgruppe, die eine eigene Sprache spricht und zumeist einer Variation des schiitischen Islam folgt, die auch Elemente des christlichen und jesidischen Glauben enthält. Wie andere Minderheiten wurde sie vom IS brutal verfolgt.

Abed hat sich während der IS-Herrschaft den paramilitärischen Hasched al-Schaabi angeschlossen, die eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Extremistengruppe gespielt haben. Doch nun ist für den 47-Jährigen die Zeit des Wiederaufbaus gekommen. Im Dorf Bas Gerkan in der nordirakischen Provinz Ninive liegen zwar noch viele Häuser in Trümmern, doch die Schule haben die Schabak bereits wieder aufgebaut. Wenige Kilometer entfernt wurde ein Schrein für den schiitischen Imam Resa restauriert, der wie andere schiitische Heiligtümer von den Dschihadisten verwüstet wurde.

Auch die Minderheit der Jesiden hat von den 23 Tempeln in der Region von Baschika bereits 20 wieder hergestellt. "All dies wurde mit den Spenden der Jesiden und anderen Einwohner der Region getan", sagt Hilal Ali, der für die Heiligtümer zuständig ist.

Tausende Jesiden waren im Sommer 2014 vor der Blitzoffensive der IS-Miliz ins Sindschar-Gebirge geflohen. Die Bilder, wie die Jesiden ohne Essen und Wasser im Gebirge gestrandet waren, wurden zum Symbol der Gräueltaten der Dschihadisten. Obwohl sie Anhänger einer monotheistischen Religion sind, wurden die Jesiden wegen ihres Glaubens an den Engel Melek Taus von den Dschihadisten als "Teufelsanbeter" verfolgt.

Viele Angehörige von Minderheiten bleiben heute misstrauisch. "Schon vor dem IS haben andere Terrorgruppen wie Al-Qaida die Minderheiten zu vertreiben versucht", sagt Sein al-Abidin Dschamil. Für den Schabak-Kommandeur der Hasched al-Schaabi ist seine Miliz die beste Garantie für die Sicherheit der Bürger.

Wie in vielen Orten sind es auch am Eingang von Bartalla Kämpfer einer örtlichen Miliz, welche die Autos kontrollieren. Vor einem Kontrollpunkt steht ein künstlicher Weihnachtsbaum, an seinem Fuß Bilder von Schabak-Kämpfern, die als "Märtyrer" im Kampf gegen die IS-Miliz gefallen sind. Die Angehörigen der lokalen Milizen würden die Gegend am besten kennen und könnten Verdächtige leichter erkennen, heißt es von den Behörden.

Ganz ungefährlich ist es aber nicht, wenn Polizei und Armee den lokalen Milizen das Feld überlassen. Human Rights Watch hatte jesidischen Kämpfern im Dezember vorgeworfen, aus Rache für die Gräueltaten der Dschihadisten 52 Zivilisten eines sunnitischen Stamms getötet zu haben, als diese vor Kämpfen in der Region flohen. Auch sieben Monate nach der Vertreibung des IS wird Ninive wohl nicht so bald zur Ruhe kommen. (AFP)