Irakische Sicherheitskräfte schießen in Bagdad und Kerbela auf Demonstranten

Irakische Sicherheitskräfte haben in der Schiitenhochburg Kerbela und in der Hauptstadt Bagdad auf Demonstranten geschossen. Bei einem Einsatz in der Nacht zum Montag wurden in der Nähe des iranischen Konsulats in Kerbela vier Menschen getötet. In Bagdad wurden nach Angaben von Ärzten und aus Polizeikreisen zwölf Menschen verletzt. In mehreren irakischen Städten gab es Kundgebungen, in denen ein "Sturz des Regimes" gefordert wurde. Die Wut der Demonstranten richtet sich zusehends auch gegen den benachbarten Iran.

Die Schüsse auf Demonstranten fielen nach Angaben von Augenzeugen in der Nähe des Sitzes des Staatsfernsehens in Bagdad. Es war der erste Einsatz scharfer Munition durch die Sicherheitskräfte in der Hauptstadt seit dem Wiederaufflammen der Proteste am 24. Oktober. Seit Beginn der Proteste gegen die Regierung im Irak am 1. Oktober wurden nach AFP-Informationen landesweit etwa 270 Menschen getötet.

Zuletzt waren die Sicherheitskräfte vor allem mit Tränengas gegen die Demonstranten vorgegangen. Dabei wurden nach Angaben aus Sicherheitskreisen und von Rettungskräften mehrere Demonstranten durch neuartige Tränengas-Granaten getötet. Diese seien deutlich gefährlicher als herkömmliche Tränengas-Granaten. Sie können nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International Schädel durchschlagen.

Die Protestbewegung im Irak setzte Anfang Oktober mit Rufen nach einer Eindämmung der Korruption und der hohen Arbeitslosigkeit ein. Trotz der Gewalteskalation und nächtlichen Ausgangssperren gehen die Iraker weiterhin auf die Straße.

Der Einsatz der Sicherheitskräfte in Kerbela erfolgte, als Demonstranten versuchten, das iranische Konsulat in Brand zu setzen. "Kerbela frei - raus mit dem Iran!", stand auf Fahnen, die Demonstranten in der Nacht vor der diplomatischen Vertretung des Irans in der heiligen Stadt der Schiiten schwenkten. Teilnehmer versuchten nach Berichten von AFP-Korrespondenten, über die Mauern des Konsulats in Kerbela zu klettern und Feuer zu legen. Sicherheitskräfte gaben daraufhin Schüsse ab.

"Sie wollen uns töten, nicht auseinander treiben", beklagte ein Demonstrant. "Wir wollen einfach, dass unser Land frei ist, ohne von einem anderen Land gesteuert zu werden", ergänzte er mit Blick auf den Einfluss des Iran.

Der Iran hat großen Einfluss im Irak. Der iranische General Qassem Suleimani reiste im vergangenen Monat mehrfach in das Nachbarland. Suleimani ist der Kommandeur der Elitetruppe für Auslandseinsätze der Revolutionsgarden.

Demonstranten blockierten die Zufahrt zum Hafen Umm Qasr. Auf Betonblöcken stand die Parole "Auf Anordnung des Volkes geschlossen". Dutzende Schiffe konnten dort nach Angaben aus Behördenkreisen nicht entladen werden. In Missan im Süden Iraks riegelten Demonstranten den Zugang zu zwei Ölfeldern ab. (AFP)