Internationales Frauenfilmfestival in Kairo: «Du musst ein Risiko eingehen»

Ausgerechnet in Ägypten, einem Land ohne Meinungsfreiheit, wagt sich ein Frauenfilmfestival an politisches Kino. Besonders arabische Regisseurinnen wenden sich dabei brisanten Themen zu. Von Inga Dreyer

Fünf junge Frauen brettern in Rennautos über die Piste, folgen ihrer Sucht nach Geschwindigkeit und setzen sich über gesellschaftliche Konventionen hinweg: Was nach einem Plot für einen Action-Film klingt, ist Realität. Und das ausgerechnet im palästinensischen Westjordanland, wo an vielen Ecken Kontrollpunkte die freie Fahrt behindern.

«Speed Sisters» der kanadischen Regisseurin und Fotografin Amber Fares ist einer von mehr als 40 Filmen, die seit letztem Samstag beim Internationalen Frauenfilmfestival in Kairo gezeigt werden. Amber Fares begleitet darin das erste weibliche Rennfahrerinnenteam der arabischen Welt und zeigt, wie sich die fünf Frauen in der männlich dominierten palästinensischen Straßenrennfahrerszene behaupten. Gleichzeitig lehnen sie sich mit ihrem Kampf um Freiheit gegen die Bedingungen der israelischen Besatzung auf. «Was sollen wir tun - aufhören zu leben?», fragt eine von ihnen im Film.

An sieben Tagen zeigt die neunte Auflage des Festivals Filme aus der ganzen Welt, unterstützt vom deutschen Goethe-Institut. Auffällig ist, dass sich besonders arabische Filmemacherinnen politischen Themen widmen. Sie erzählen Geschichten von Flucht, Vertreibung, aber auch von Kampf und Auflehnung.

In «Strong Will» etwa nähert sich die Regisseurin Nathalie Rbeiz einer Libanesin an, die 1988 den Anführer der mit Israel verbündeten Südlibanesischen Armee töten wollte und dafür zehn Jahre ins Gefängnis kam. In ihrer 2014 erschienenen Dokumentation «Haunted» erforscht die syrische Regisseurin Liwaa Yazji, was es bedeutet, vor dem Krieg zu fliehen. Sie sammelt Geschichten von Menschen, die von den jahrzehntelangen Fluchtbewegungen in der Region erzählen.

«90 Prozent der Filme arabischer Regisseurinnen sind politisch», sagt Amal Ramsis, die selbst für ihre kritische Arbeit bekannt ist. Kurz vor der Revolution 2011 machte sie sich in ihrer Dokumentation «Forbidden» auf die Suche nach gesellschaftlichen Tabus, angefangen vom Händchenhalten bei Verliebten bis hin zur Zensur von Filmen oder dem Verbot politischer Gruppierungen.

Auch fünf Jahre später gibt es in Ägypten keine Freiheit. Aktivisten berichten immer wieder von Menschenrechtsverstößen unter der Herrschaft von Präsident Abdel Fattah al-Sisi. Tausende Oppositionelle sitzen im Gefängnis, Journalisten werden verhaftet. Immer wieder gibt es Berichte über Folter.

Ausgerechnet in diesem Klima der Angst organisiert Amal Ramsis nun erneut ein Festival, auf dem auch kritische und politische Filme gezeigt werden. Die Filmemacherin hält nichts davon, über Einschränkungen nachzudenken: «Du musst ein Risiko eingehen, sonst bleibst du zu Hause und tust gar nichts.»

Doch zum ersten Mal sind ausgerechnet keine ägyptischen Beiträge im Programm - und das, obwohl das Land als Hollywood der arabischen Welt gilt. Das reflektiere die Situation der ägyptischen Filmindustrie wider, die auf kommerziellen Erfolg ausgerichtet sei, erklärt Amal Ramsis. So gebe es keinerlei öffentliche Filmförderung.

Mit Blick auf die arabische Welt wird in Europa derzeit vor allem über sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum diskutiert. Im Festivalprogramm taucht das Thema nicht auf, aber es werde durchaus von Filmemachern behandelt, sagt Amal Ramsis. Allerdings dürfe man es nicht losgelöst von anderen Faktoren betrachten. «Belästigung ist nicht mein größtes Problem in dieser Gesellschaft», sagt sie. (dpa)

Hier geht es zur Webseite des Frauenfilmfestivals in Kairo