HRW: Angriffe auf Zivilisten in Syrien womöglich Verbrechen gegen Menschlichkeit

Bei Angriffen auf zivile Ziele in der Region Idlib im Nordosten Syriens handelt es sich nach Auffassung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) womöglich um Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das ist das Ergebnis eines Berichts, den die Organisation am Donnerstag vorstellte. Sie forderte Sanktionen gegen zehn militärische Befehlshaber und Beamte der syrischen Regierung und ihrer russischen Verbündeten.

Die Angriffe zwischen April 2019 und März 2020 "waren offensichtliche Kriegsverbrechen und könnten auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen", erklärte Human Rights Watch. Der Bericht dokumentiert unter anderem 46 Luft- und Bodenangriffe auf zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen und Märkte in der Provinz. Die syrische Armee und deren russische Verbündete töteten demnach mindestens 224 Zivilisten.

Die Angriffe "scheinen Teil einer bewussten militärischen Strategie zu sein" um die zivile Bevölkerung zu vertreiben, "wodurch es der syrischen Regierung leichter gemacht wird, die Kontrolle zurückzugewinnen", sagte HRW-Geschäftsführer Kenneth Roth. Bei der Militäraktion gegen die letzte Rebellenbastion im Land wurden etwa eine Million Einwohner vertrieben. Anfang März trat ein fragiler, von der Türkei und Russland ausgehandelter Waffenstillstand in Kraft.

HRW forderte eine Resolution der Vereinten Nationen, um gezielte Sanktionen gegen militärische Befehlshabern und Beamte verhängen zu können, die für den Tod von Zivilisten verantwortlich sind. Für den Bericht wurden nach Angaben der Organisation mehr als 100 Opfer und Zeugen befragt und hunderte Fotos, Videos und Satellitenbilder ausgewertet.

Seit dem Beginn des Syrien-Konflikts 2011 wurden mehr als 380.000 Menschen getötet. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung wurde innerhalb des Landes vertrieben oder ist in Nachbarländer wie Jordanien, Libanon oder die Türkei geflohen. (AFP)