Hoffnungsschimmer für Sudans Christen

Im Sudan hat zwei Jahre nach dem Sturz von Diktator Omar al-Bashir nun eine weitere Revolution stattgefunden: Erstmalig will das ostafrikanische Land zwischen Staat und Religion unterscheiden. Darauf einigte sich die sudanesische Übergangsregierung mit den Rebellen.



Khartum. "Niemandem soll eine Religion aufgezwungen werden und der Staat soll keinen offiziellen Glauben annehmen" - diese historischen Worte wurden Ende März in Juba, der Hauptstadt des Nachbarlandes Südsudan, unterzeichnet. In der Erklärung bekennen sich Sudans Politiker erstmals zu ethnischer, religiöser und kultureller Vielfalt in der Bevölkerung. Für den Friedensprozess des Landes war dieser Schritt entscheidend, galt religiöse und kulturelle Unterdrückung durch das Bashir-Regime schließlich als Grundproblem für die Gewalt in der westlichen Provinz Darfur. Die Rebellengruppe SPLM-N, ein Ableger der südsudanesischen Freiheitskämpfer, hatte die Trennung von Staat und Religion zur Grundvoraussetzung für einen Friedensdeal erklärt. Mit den neuen Machthabern in der Hauptstadt Khartum einigte man sich nun auf einen "zivilen, demokratischen" Staat, in dem religiöse Fundamentalisten kein Sagen mehr haben sollen.



Omar al-Bashir hatte den Sudan nach seiner Machtergreifung 1989 zum Gottesstaat erklärt. Die christliche Minderheit klagte über Verfolgung und Unterdrückung. Etliche Kirchen wurden zerstört. "Christen hatten keinen Platz und die einzige Religion, die zu existieren schien, war der Islam", so der sudanesische Bischof Yunan Tombe Trille Kuku. 2019 brachen im Sudan landesweit Proteste aus. Die Armee stürzte al-Bashir.



Seitdem kam es unter der militärisch-zivilen Übergangsregierung zu zahlreichen Öffnungen. Die USA strichen den Sudan nach 28 Jahren von ihrer Liste staatlicher Terror-Unterstützer. Für die Gesellschaft kündigte der "Souveräne Rat" zahlreiche Liberalisierungen an: Ein Verbot von Frauenbeschneidungen, die Legalisierung von Alkoholkonsum für Nicht-Muslime und die Abschaffung der Todesstrafe für "Glaubensabfall" vom Islam. Kurz danach kam es Berichten zufolge zu zahlreichen Glaubensübertritten, sowohl vom Islam zum Christentum als auch umgekehrt.



Für einige Beobachter hat Sudans Revolution bereits Vorbildwirkung für andere islamisch geprägte und autokratisch regierte Länder. So schreibt etwa das Nahost-Nachrichtenportal The Media Line: "Während die Volksproteste im Irak von Opportunisten an sich gerissen wurden, schafften es jene im Sudan, die Massen wachzurütteln und echten sozialen Wandel anzustoßen."



Der jüngste Schritt im Demokratisierungsprozess macht auch Sudans Bischöfe zuversichtlich: So garantiere die Vereinbarung zwischen Rebellen und Regierung zumindest teilweise, dass Sudans Regierung die christliche Minderheit künftig "respektiere", sagt Bischof Tombe dem katholischen Portal ACI Africa. Zugleich mahnt der Präsident der Sudanesischen Bischofskonferenz jedoch zu weiteren Schritten: "Diese Vereinbarung über die Trennung von Religion und Staat muss in der Verfassung verankert werden."



Nicht zuletzt ist das Abkommen auch entscheidend für den Frieden in Darfur. Die Bevölkerung der Unruheprovinz klagt seit Jahrzehnten über Unterdrückung; Rebellen nahmen den bewaffneten Kampf gegen die Hauptstadt Khartum auf. Seit Beginn des Konflikts starben mehr als 300.000 Menschen. Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehl gegen al-Bashir wegen Kriegsverbrechen und Völkermord erlassen. Vergangenen August schloss die Übergangsregierung Frieden mit etlichen der Darfur-Rebellengruppen. Die SPLM-N wollte dem Pakt nur zustimmen, wenn Religion und Staat künftig getrennt würden.



Trotz der Hoffnungsschimmer herrscht nun erneut Sorge um Darfur. Diesen Monat rief die Regierung den Notstand aus, nachdem bei Zusammenstößen zwischen verfeindeten Gemeinden mehr als 100 Menschen gestorben waren. Seit Jahresbeginn waren etwa 300 getötet worden. Nach wie vor sind große Teile der Bevölkerung vertrieben, es herrscht Hunger unter den Flüchtlingen und Angst vor weiterer Gewalt. Vor diesem Hintergrund stößt der Friedensdeal bei manchen auf Ablehnung.



Während die Rebellengruppen einen Wendepunkt sehen, haben viele Darfuris nach wie vor kein Vertrauen in die Übergangsregierung. Sie sehen etliche von Al-Bashirs Kumpanen darin. Und sie fühlen sich von dem politischen Prozess ausgeschlossen. "Wir lehnen die Vereinbarung ab, schließlich hat uns niemand dazu befragt. Wir haben nichts damit zu tun", zitiert der Nachrichtendienst The New Humanitarian den Vorstand eines der Flüchtlingscamps.



Die neue Regierung muss beweisen, dass ihr Inklusion am Herzen liegt. Das geht im Sudan über die Wahrung der Rechte von Religionen und Volksgruppen weit hinaus. Ehemalige Kämpfer müssen in die nationale Armee integriert werden, Vertriebene in ein stabiles Zuhause zurückgebracht und ehemals Unterdrückte in die Politik aufgenommen werden. Erst dann ist dauerhafter Frieden möglich. (KNA)