Hilfswerke: Türkischer Vormarsch verschärft humanitäre Krise

Vertreter von Kirche und Hilfswerken haben den Vormarsch türkischer Truppen in Nordsyrien verurteilt und mehr diplomatische Bemühungen gefordert. Die EU-Außenminister stellten sich einstimmig gegen die Militäroffensive. In ihren am Montag in Luxemburg verabschiedeten Schlussfolgerungen hieß es, die Türkei untergrabe damit "ernsthaft" Stabilität und Sicherheit in der Region.

Der neue Vorsitzende der katholischen Deutschen Kommission Justitia et Pax, Bischof Heiner Wilmer, erklärte: "Die türkische Invasion in Nordostsyrien stellt einen klaren Bruch des Völkerrechts dar." Er warnte vor einer massiven humanitären Krise sowie einer drohenden "ethnischen Säuberung", sollten die angegriffenen Kurden aus den Gebieten vertrieben werden. Etwa 100.000 Menschen seien auf der Flucht, und es würden mehr werden.

Auch wenn die Türkei sich auf eine vermutete terroristische Bedrohung durch kurdische Kräfte beziehe und angebe, eine "Sicherheitszone" einrichten zu wollen, könne dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Land "eine systematische Politik gegen die kurdische Bevölkerung betreibt", so der Hildesheimer Bischof weiter. Die Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht nannte er "fadenscheinig". Die Bundesregierung müsse mit anderen Nato-Partnern entschieden auf das Mitglied Türkei einwirken, auch mit Sanktionen.

Das katholische Hilfswerk missio Aachen rief Berlin zu intensiveren diplomatischen Bemühungen auf. "Die Bundesregierung sollte weiter darauf drängen, dass die fragile ethnische und religiöse demografische Zusammensetzung der Region nicht zerstört wird und auch Minderheiten geschützt bleiben", erklärte Präsident Dirk Bingener. Die Organisation bereitet nach eigenen Angaben derzeit Hilfen für christliche Gemeinden im Nordosten Syriens vor, damit sie Geflohene unterstützen könnten.

"Wir glauben, was die Türkei tut, ist falsch", sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nach dem Luxemburger Außenministertreffen. Dort stellten sich die Minister einstimmig gegen die Militäroffensive. Die EU-Mitgliedstaaten verpflichteten sich, keine Waffenexporte in die Türkei mehr zu genehmigen. Das sei ein "klares Signal" der Ablehnung, so der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD).

Das Welternährungsprogramm WFP äußerte sich besorgt über die Sicherheit von Zivilisten in der Kampfregion. Für humanitäre Hilfssendungen müssten Nachschubwege offen und sicher bleiben, mahnte das UN-Hilfswerk in Rom. Bislang habe man Nothilfe für mehr als 70.000 Menschen geleistet, die vor den kriegerischen Auseinandersetzungen aus Orten in Nordost-Syrien fliehen.

Das UN-Kinderhilfswerk Unicef geht derweil davon aus, dass allein fast 70.000 Kinder seit Ausbruch der Kämpfe in der vergangenen Woche ihre Heimatorte verlassen mussten. Mehrere Kinder seien inzwischen getötet oder verletzt worden und eine Schule unter Beschuss geraten, teilte Unicef am Montag in New York mit.

Nach dem Abzug der US-Truppen hatte das türkische Militär am Mittwoch eine Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien gestartet. International stößt die Offensive auf deutliche Kritik. (KNA)