Händeschütteln zwischen Männer und Frauen erwünscht – Islamischer Theologe Khorchide bietet Flüchtlingen alternatives Islamverständnis an

Vom islamischen Gebet bis zur Kehrwoche: In einem arabisch-deutschen Ratgeber zeigt Khorchide geflüchteten Menschen, dass sie Muslime und gleichzeitig loyale Bürger dieses Landes sein können. Von Judith Kubitscheck

Wenn muslimische Flüchtlinge nach Deutschland kommen, betreten sie eine für sie neue Welt. Der islamische Theologe Mouhanad Khorchide will ihnen mit seinem neuen Buch «Muslim sein in Deutschland» zeigen, dass sie Muslime und gleichzeitig loyale Bürger dieses Landes sein können. Zudem will er sie zum kritischen Nachdenken über ihren Glauben einladen. «Viele muslimische Flüchtlinge kommen mit einem bestimmten Islamverständnis zu uns, das durch ihre Heimatländer stark geprägt ist», so Khorchide.

Zum Beispiel werde in der arabischen Welt in weiten Teilen eine patriarchalische Sicht auf die Rolle der Frau sowohl von den Männern als auch von den Frauen selbst hingenommen, sagte der Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster. Außerdem gebe es Fragen, die sich in den Herkunftsländern kaum stellten, und zu denen sich die Flüchtlinge in Deutschland positionieren müssten - wie die nach dem Verhältnis zwischen Islam und Demokratie beziehungsweise den Menschenrechten.

Auf diese Fragen geht Khorchide in seinem Buch ein, und sieht seine Antworten als einen Gegenentwurf zu dem Angebot der Salafisten, die in Flüchtlingsunterkünfte gehen, um die orientierungslosen Menschen dort gezielt für ihre Ideologie zu vereinnahmen. Religiös sein dürfe nicht nur auf den Aufenthalt in der Moschee oder am Gebetsteppich reduziert werden, sondern müsse sich auch im zwischenmenschlichen Umgang und der Kommunikation beweisen, sagt der islamische Theologe.

Für Khorchide steht Gott und damit auch der Islam für Barmherzigkeit. «Alles, was im Sinne der Liebe und Barmherzigkeit ist, ist im Sinne Gottes.» Leider lebten nicht alle Muslime in Deutschland einen vorbildlichen barmherzigen Islam, was unter anderem dafür sorge, dass viele Menschen Angst vor dieser Religion hätten. Dabei sei Barmherzigkeit die oberste Maxime des Islams.

Khorchide geht auch auf die sogenannten «Fünf Säulen» des Islam ein - die praktischen religiösen Pflichten. Beim fünfmaligen täglichen Gebet gehe es um eine Beziehung zu Gott, nicht um eine Pflichterfüllung, um eine eventuelle göttliche Strafe zu vermeiden. Beim Fasten gehe nicht nur um körperliche Enthaltung, sondern auch um das Fasten der Zunge von übler Nachrede. Deshalb sollten Muslime von Verleumdungen und Hasskommentaren im Internet absehen, folgert Khorchide.

Der Theologe sieht es kritisch, wenn Männer und Frauen sich aus Angst vor sexuellen Gefühlen nicht die Hand geben. In Syrien sei es eine verbreitete Tradition, dass sich Männer und Frauen ohne Handschlag grüßen. «Ich habe ein Problem damit, wenn dies mit sexuellen Argumenten begründet wird, denn dadurch wird die Frau auf ein Sexualobjekt und der Mann auf ein sexuelles Tier reduziert», sagt er. Beide Geschlechter müssten lernen, respektvoll miteinander umzugehen, ohne in dem jeweiligen Gegenüber ein Sexualobjekt zu sehen.

Khorchide geht in seinem Buch auch darauf ein, wie Muslime im Alltag die deutsche Gesellschaft bereichern können und legitimiert dabei sogar die Kehrwoche als islamisch: «Der Prophet Mohammad betonte, dass es zum Glauben gehört, Schmutz und Schädliches von der Straße zu entfernen.» Muslime sollten dadurch auffallen, dass dort, wo Sauberkeit, Großzügigkeit, Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft und Empathie anzutreffen sind, sofort vermutet wird, dass dort auch ein Muslim anzutreffen ist, sagt Khorchide. (epd)

Lesen Sie hierzu auch ein Interview mit Mouhanad Khorchide auf Qantara.de