Grüne und SPD kritisieren Seehofer-Vorstoß zu Religionsdebatte - Islamverband hofft auf «guten Geist»

Der Vorstoß von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) für eine neue Religionsdebatte stößt bei SPD und Grünen auf Kritik. «Die Wandlung vom Saulus zum Paulus ist im Falle von Horst Seehofer denkbar unglaubwürdig», sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner der «Passauer Neuen Presse» (Freitag).

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sieht in Seehofers Vorstoß einen Versuch, sich von seiner offenbar gescheiterten «Politik der Konfrontation» zu distanzieren. «Jetzt versucht er umzusteuern und verkündet einen Dialog, den er erst ins Stocken gebracht hat», sagte die Oppositionspolitikerin. Dagegen begrüßte der Zentralrat der Muslime in Deutschland Seehofers Initiative.

Seehofer hatte sich in einem am Donnerstag erschienenen Gastbeitrag für die «Die Welt» für eine gesellschaftliche Debatte über die Rolle der Religion und ihr Verhältnis zum Staat ausgesprochen. Er kündigte zugleich an, er werde das Gespräch mit allen relevanten religiösen Gemeinschaften suchen. «Die Zuwanderung von Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsstaaten, mit unterschiedlicher religiöser und kultureller Prägung, hat zu erheblichen Herausforderungen geführt, die auch das Verhältnis zwischen Religion und Staat betreffen», schrieb der CSU-Vorsitzende.

Göring-Eckardt sagte der «Passauer Neuen Presse» (Freitag): «Man kann sich nicht Versatzstücke der christlichen Lehre herauspicken und den Rest ausblenden. Seehofers Beitrag lese sich für sie so, »als ob er persönlich enttäuscht ist, dass seine privaten Überzeugungen nicht mehr die der Mehrheit inklusive der Kirchenleitungen sind«. Die Grünen-Politikerin fügte hinzu: »Man hat schon in der Kreuz-Debatte gespürt, dass die alten Herren der CSU nicht mehr den richtigen Ton treffen.«

Dass sich der Innenminister mit seinem Vorschlag den Muslimen in Deutschland zuwendet, bezweifelt die Grünen-Fraktionschefin, die im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages sitzt. »Die Muslime spricht Seehofer allenfalls indirekt an.« SPD-Vize Ralf Stegner sagte, es passe schlecht zusammen, erst eine Debatte anzustoßen, ob der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht, und dann den Dialog zu propagieren. Seehofer hatte kurz nach seinem Amtsantritt im März gesagt, der Islam gehöre seiner Ansicht nach nicht zu Deutschland.

Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, sieht in dem Vorstoß Seehofers hingegen einen Fortschritt. »Wir begrüßen, dass der Innenminister am Grundgesetz entlang argumentiert und somit einen guten Geist in die Debatte wirft, der besser ist als der aus den vergangenen Diskussionen«, sagte er der »Passauer Neuen Presse« (Freitag).

Seehofers Betonung, dass das Grundgesetz allgemein von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften spreche und nicht nur von den Kirchen, die bei der Entstehung der Weimarer Verfassung dominiert hätten, sei »wichtig und bemerkenswert, denn es ist das Gegenteil von Ausgrenzung«, sagte Mazyek. »Es ist zu hoffen, dass die skurrile Islamdebatte nun der Vergangenheit angehört." (epd)