Gründung von "Juden in der AfD" stößt vorab auf viel Kritik

Mehrere jüdische Mitglieder der AfD wollen am kommenden Sonntag einen eigenen Verein "Juden in der AfD" gründen. Nicht nur die jüdische Gemeinde warnt vor den Folgen.

Seit ihrem Bekanntwerden sorgt die Nachricht für Befremden - nicht nur bei Vertretern jüdischer Gemeinden in Deutschland: Am Sonntag wollen AfD-Mitglieder jüdischen Glaubens die Vereinigung "Juden in der AfD" gründen. Zum Gründungstreffen sollen unter anderem die Bundesvorstandsmitglieder Beatrix von Storch und Joachim Kuhs kommen sowie der religionspolitische Sprecher der Partei im Bundestag, Volker Münz.

Wie es in der "Grundsatzerklärung Juden in der AfD" heißt, soll der Autor und derzeitige persönliche Referent von Parteichef Alexander Gauland, Michael Klonovsky, dabei eine Rede halten. Ferner sei ein Grußwort der inzwischen parteilosen Erika Steinbach geplant, die seit März Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung ist.

Die Initiatoren wollen sich nach eigenem Bekunden zunächst auf 20 Gründungsmitglieder einigen. Davon sind bisher nur wenige bekannt, etwa Dimitri Schulz, der als Direktkandidat bei den Landtagswahlen in Hessen antritt. Er stammt nach eigenem Bekunden aus der ehemaligen Sowjetunion und ist in einer "christlich-jüdischen Großfamilie aufgewachsen". Möglicherweise wird auch der baden-württembergische AfD-Politiker Alexander Beresowski dazu gehören, der ebenfalls aus der ehemaligen Sowjetunion stammt und nach eigenen Angaben Mitglied der Jüdischen Gemeinde ist. Zudem gehört der AfD-Vorsitzende des Kreisverbands Lörrach, Wolfgang Fuhl, zu den Gründungsmitgliedern. Fuhl war von 2007 bis 2012 Vorsitzender des Oberrats der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden und damit Mitglied des Direktoriums des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Vertreter der etablierten Jüdischen Gemeinden reagierten mit deutlicher Kritik auf die Ankündigung: Zentralratspräsident Josef Schuster äußerte sein Unverständnis. Die AfD schüre Hass und Ressentiments. "Natürlich treffen Juden nicht nur kluge Entscheidungen", so Schuster. In seinen Augen seien aber Teile der AfD rechtsextrem. Daher sei auch eine Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz gerechtfertigt. Er nehme eine zunehmende Verunsicherung in den jüdischen Gemeinschaften wahr, so Schuster. Auch die religionspolitischen Sprecher aller anderen Parteien im Bundestag übten scharfe Kritik und zeigten sich teilweise entsetzt.

Nach Einschätzung des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, ist die AfD als Ganze nicht antisemitisch, dulde aber antisemitische Ausfälle wie die Relativierung der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen. Die Motivationslage für das Engagement von Juden innerhalb der AfD, so Klein, sei ihm nicht bekannt und werfe einige Frage auf.

Die Grundsatzerklärung nennt selbst vor allem zwei Motive für die Gründung der "Juden in der AfD": die Islamkritik und die "Zerstörung der traditionellen, monogamen Familie" durch "Gender-Mainstreaming" und "Frühsexualisierung". Beide Themen finden sich auch bei der Gruppe der "Christen in der AfD", dort allerdings weniger polemisch formuliert.

So geht es in der neuen Grundsatzerklärung weiter mit Kritik an einer "unkontrollierten Masseneinwanderung" junger Männer aus dem "islamischen Kulturkreis" mit "einer antisemitischen Sozialisation" und mit massiver Merkel-Schelte. Das Verhältnis zu Israel wird ausschließlich mit Blick auf die Bedrohung durch den radikalen Islam erwähnt. Und Fuhl betont auf Anfrage: "Gewalt gegen Juden geht fast ausschließlich von Muslimen aus."

Die Erklärung räumt zwar ein, das sich "Antisemiten wie Wolfgang Gedeon" in der AfD befänden, deren Einfluss werde aber "maßlos überschätzt". Fuhl kritisierte auf Anfrage auch die "Dresdner Rede" von Björn Höcke und die "Vogelschiss"-Aussage von Gauland - als "sprachlichen Missgriff". Beide hätten sich aber entschuldigt. Der sogenannte Trauermarsch von Chemnitz sei ein "ruhiger Trauermarsch" gewesen.

Der Kritik des Zentralrats der Juden begegnet das "Grundsatzpapier" nicht inhaltlich, sondern mit dem Verweis auf eine "gewisse Konformität" zum Staat, weil der Zentralrat ähnlich wie Landeskirchen und Diözesen staatliche Mittel erhalte: "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing", so Fuhl.

Das organisierte Judentum steht aber längst nicht alleine da mit seiner Sorge. In einem "Positionspapier" der jüdischen Zeitschrift "Jalta", das inzwischen neben zahlreichen jüdischen Institution und Organisationen viele Einzelpersonen unterzeichnet haben, warnen die Verfasser: "In einer Gesellschaft, wie sie der AfD vorschwebt, sind alle Minderheiten" in Gefahr und letztlich alle Demokraten. "Wir erachten eine solche Parteinahme als große Gefahr für unsere Sicherheit, für jüdisches und damit untrennbar für migrantisches Leben in Deutschland", heißt es weiter. Die AfD habe eine "personelle und ideologische" Nähe zu neonazistischen Organisationen. Der vorläufige Höhepunkt sei der "Trauermarsch von Chemnitz", weil Höcke dort Seite an Seite mit Pegida-Funktionären und "bundesweit bekannten Kadern der Neonazi-Szene" demonstriert habe.

Extremismusforscher Wolfgang Benz hält eine solche Gruppierung, wie sie jetzt gegründet werden soll, "für komplett abstrus". Wörtlich sagte Benz weiter: "Ist diesen Juden denn nicht klar, wie viele Antisemiten es in der AfD gibt und wie ungestraft Judenfeindschaft in dieser Partei geäußert werden kann?" Zugleich warnt er: "Wer wie die AfD gegen eine Minderheit aus rassistischen oder anderen Gründen hetzt, hat auch etwas gegen andere Minderheiten. Das Objekt der Hetze ist austauschbar. Das ist schlicht und einfach ein Ergebnis der Ressentimentforschung." (KNA)