Griechen auf Lesbos fürchten neue Fluchtwelle aus der Türkei

Mehr als 500 Flüchtlinge sind am vergangenen Donnerstag an den Stränden von Skála Sykaminéas eingetroffen. Nun fürchten die Einwohner des kleinen Fischerdorfes im Norden der griechischen Ägäis-Insel Lesbos eine Wiederholung der Krise von 2015, als täglich bis zu tausend Flüchtlinge auf Schlauchbooten vom türkischen Festland übersetzten. Auch vier Jahre danach bleibt in dem Dorf die Erinnerung an die Krise präsent.

"Ich werde niemals die tausenden Menschen vergessen können, die im Sommer 2015 am Strand gelandet sind. Kinder, Familien, traumatisiert von der schwierigen Überfahrt", sagt Elpiniki Laoumi, die an der Küste eine Taverne betreibt, vor der am Donnerstagabend die Flüchtlinge in ihren 13 Schlauchbooten landeten. "Ich will nie wieder solche Bilder sehen wie 2015!"

Nur noch einige Schwimmwesten und kaputte Schlauchboote sind von der Krise damals an der Küste geblieben, die nur wenige Kilometer vom türkischen Festland trennen. Die Zahl der Überfahrten ist seit dem Abschluss des EU-Flüchtlingsdeals im März 2016 stark zurückgegangen, in dem die Türkei die Rücknahme abgelehnter Flüchtlinge von den Ägäis-Inseln zusagte.

Doch seit einigen Monaten wird wieder ein Anstieg der Neuankünfte auf Lesbos und anderen griechischen Inseln vor der türkischen Küste registriert. In der Türkei hat die Regierung zuletzt unter dem Druck der Opposition das Vorgehen gegen Flüchtlinge ohne gültige Papiere verschärft. Besonders Afghanen werden deportiert, aber auch Syrer geraten zunehmend unter Druck.

Auf Lesbos fürchten nun viele eine Wiederholung der Krise von 2015, von der sich der Tourismus bis heute nicht ganz erholt hat. Doch fühlen auch viele mit den Flüchtlingen. "Es tut mir immer Leid zu sehen, wie junge Leute ohne Hab und Gut ihr Land verlassen, weil sie keine Wahl haben", sagt die Griechin Stella, die selbst in jungen Jahren von Lesbos nach Australien emigriert ist.

"Viele Einwohner beschweren sich über die Flüchtlinge und glauben, dass sie freiwillig kommen. Doch ich weiß, was es heißt, Flüchtling zu sein. Es ist niemals einfach", sagt die Rentnerin.

Nach der Landung in Skála Sykaminéas wurden die Flüchtlinge zuerst in ein Transitlager in der Nähe des Dorfes gebracht, bevor sie in das berüchtigte Flüchtlingscamp Moria in der Nähe der Inselhauptstadt Mytilini verlegt wurden. Seitdem im August 3000 weitere Flüchtlingen auf Lesbos eingetroffen sind, platzt das ohnehin chronisch überbelegte Zeltlager aus allen Nähten.

Für den 25-jährigen Afghanen Wasek und seine zehnköpfige Familie gab es nach ihrer Ankunft vor zehn Tagen keinen Platz mehr im Lager, so dass sie auf einfachen Decken in den Olivenhainen um das Lager übernachten müssen. "Wir haben ein Baby, meine Mutter ist sehr krank", sagt der junge Mann. "Wir können so nicht lange bleiben, zumal die Temperaturen bald fallen werden."

Angesichts der dramatischen Zustände auf Lesbos berief die griechische Regierung am Samstag eine Krisensitzung ein. Dabei beschloss sie, auf der Ägäis-Insel zusätzliche Ärzte und Krankenschwestern einzustellen, die Grenzkontrollen auf dem Meer zu verstärken und für Asylbewerber die Berufungsmöglichkeit abzuschaffen, um die Asylverfahren zu beschleunigen.

Außerdem beschloss das Kabinett in Athen, mehrere hundert unbegleitete Minderjährige und andere besonders verletzliche Flüchtlinge aus Moria aufs Festland zu verlegen. Am Montagmorgen bestieg eine erste Gruppe von mehr als 630 Afghanen ein Schiff nach Thessaloniki. Hunderte weitere sollten am Dienstag folgen. Ein Afghane, der in Moria bleiben musste, sagte, er hoffe, ebenfalls "rasch diese Hölle verlassen zu können". (AFP)