Gibt es wieder Bewegung in Sachen Zwei-Staaten-Lösung?

Jerusalem. Jahrelang lag die Zwei-Staaten-Lösung in einem Dornröschen-Schlaf. Die Idee von zwei Staaten zwischen Jordan und Mittelmeer für zwei Volksgruppen - Israelis und Palästinenser - war in der Region kein Thema. Nun wolle Israels Premier Jair Lapid in seiner Rede vor der UNO am Donnerstagabend die Idee wieder aufgreifen, melden israelische Medien aufgrund von durchgestochenen Informationen aus seiner Umgebung. Er wolle - wenn die Indiskretionen stimmen - eine Zwei-Staaten-Lösung im Konflikt mit den Palästinensern unterstützen, als Vision für eine sichere Zukunft.

Das Nachrichtenleck löste in Israel vielfältige Reaktionen mit Lob aber auch mit heftiger Kritik aus. "Die Billigung eines terroristischen Staates im Westjordanland wird die Sicherheit Israels gefährden", erklärte Justizminister Gideon Saar laut dem Netzwerk Ynet. Die meisten Israelis würden das nicht zulassen.

Naftali Bennett, Lapids Vorgänger und Partner in der auslaufenden Legislatur-Periode, bezeichnete es auf Facebook als falsch, eine Zwei-Staaten-Lösung zur Sprache zu bringen. "Es gibt keinen Platz für ein anderes Land zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan und es besteht keine Notwendigkeit, für die palästinensische Eigenstaatlichkeit zu arbeiten." Leere Worte wie die von "zwei Staaten" gehörten in den Wortschatz der 1990er Jahren und sollten dort bleiben, sagte er. Und die bisherige Innenministerin Ayelet Shaked meint laut der Zeitung "Haaretz": "Ein palästinensischer Staat ist gefährlich für Israel".

Der Likud, Partei des bei den Wahlen im November erneut um die Regierungsspitze kämpfenden Ex-Premiers Benjamin Netanjahu, warnte auf Twitter, dass etwa Israels internationaler Flughafen "Ben Gurion" dann direkt an einen palästinensischen Staat grenzen würde. Während es Netanjahu jahrelang gelungen sei, die Palästinenserfrage von der nationalen Tagesordnung fernzuhalten, wolle Lapid nun Palästinenserpräsident Mahmud Abbas aufs Podest heben, erklärte der bei den Wahlumfragen führende Likud.

Lapid gesellt sich mit seiner UN-Rede - falls er sie so hält - zu anderen prominenten Rednern. US-Präsident Joe Biden versicherte am Mittwoch vor der Vollversammlung seinen Einsatz für einen dauerhaften Verhandlungsfrieden zwischen dem jüdischen und demokratischen Staat Israel und dem palästinensischen Volk. Die USA seien der Sicherheit Israels verpflichtet, und ein palästinensischer Staat sei unerlässlich, um Israels Sicherheit und Wohlstand zu gewährleisten.

Dabei schließt die US-Seite freilich einen "einvernehmlich vereinbarten Landtausch" ein, bei dem etwa die großen jüdischen Siedlungsblöcke in der Westbank Israel zugeschlagen werden könnten, das wiederum Gebietsteile an die Palästinenser abtritt.

Unterstützung erhielt Lapid von seinem politischen Lager und auch von der israelischen Linken. Seine Partei Yesh Atid (Es gibt Zukunft) erinnerte in einer Mitteilung daran, dass auch Netanjahu in seiner UN-Rede 2016 über die Zwei-Staaten-Lösung gesprochen und hierzu seine Bereitschaft für Verhandlungen mit den Palästinensern erklärt habe.

Eine Zwei-Staaten-Lösung anhand der Grenzen von 1967 - wenn auch mit einigen Modifizierungen - bildet nach einigen früheren Empfehlungen insbesondere seit den Oslo-Abkommen der 1990er Jahren eine internationale Grundlage. Die UNO hat sich wiederholt für zwei Staaten, Israel und Palästina, innerhalb sicherer und anerkannten Grenzen ausgesprochen.

Ob Lapid mit seinem Vorstoß den zuletzt vergessenen Plan wieder in die Debatte bringt, oder ob es ein Element im derzeitigen Wahlkampf bleibt - auch darüber rätseln die Beobachter. Den Indiskretionen zufolge will der Premier in seiner Rede zudem weitere arabischen Staaten einladen, ihre Beziehungen zu Israel zu normalisieren - wie zuletzt die Arabischen Emirate, Bahrain und Marokko. Aber im Manuskript steht auch ein Hinweis auf das Atomabkommen mit dem Iran. Notfalls - und darauf habe er sich mit den USA geeinigt - "werden wir selbst handeln". (KNA)