Generationswechsel in Riad: Saudischer König Salman setzt ein klares Zeichen

Saudi-Arabien hat viel Öl – und große Probleme. Die Jungen fordern ihren Anteil am Reichtum, das Königreich sieht sich durch Extremisten und den Iran bedroht. Die neue Thronfolgeregelung soll das Land für die Herausforderungen wappnen. Von Jan Kuhlmann

Die Politik des saudischen Königshauses zu analysieren, ist ein schwieriges Unterfangen. Aus dem Inneren der Macht des streng islamischen Landes dringt so wenig nach außen, dass es kaum handfeste Informationen gibt. Mit seiner überraschenden Personalrochade hat König Salman bin Abdelaziz jedoch ein deutliches Signal gesetzt: Seine neue Thronfolgeregelung ebnet den Weg für die Machtübernahme der nächsten Generation in einem konservativen Königreich, das sich mit Reformen äußerst schwertut.

Bislang erklommen in Saudi-Arabien stets Söhne von Staatsgründer Ibn Saud den Thron, der bei seinem Tod 1953 Dutzende Nachkommen hinterlassen hatte. Mit dieser Tradition hat der 79 Jahre alte Salman nun endgültig gebrochen. Er setzte seinen Halbruder Mukrin als Kronprinz ab und hob stattdessen seinen Neffen Mohammed bin Naif auf diesen Posten. Erstmals steht damit ein Vertreter aus Ibn Sauds Enkelgeneration an erster Stelle der Thronfolge. Damit hat Salman die Kernfrage in der saudischen Machtverteilung geregelt.

Zugleich verschob er die Macht zugunsten seines eigenen Blocks der «Sudairis» im Königshaus. Dabei handelt es sich um Söhne, die Ibn Saud mit seiner Lieblingsfrau Hissa bin Sudairi zeugte, und deren Nachkommen. Salmans Thronfolgeregelung sei «ein Putsch der Sudairis», sagt Guido Steinberg, Golf-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik. Das Nachsehen hätten die Anhänger von Salmans Vorgänger Abdullah, der nicht zu diesem Block gehörte.

Beobachter und Analysten des saudischen Königshauses hielten eine Entscheidung zugunsten der Enkelgeneration für überfällig. Die bisherige Thronfolge hat mehrfach dazu geführt, dass greise Männer an die Macht kamen. Auch viele Saudis fanden sie zu alt, um das Land für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu wappnen. Das Königreich ist zwar dank der Öleinnahmen eines der reichsten Länder der Welt – trotzdem hat es mit vielen Problemen zu kämpfen.

Da ist zunächst das starke Bevölkerungswachstum. Verlässliche Daten gibt es nicht, doch nach manchen Angaben sollen 60 Prozent der mehr als 27 Millionen Einwohner jünger als 21 Jahre sein. Die jungen Menschen strömen auf den Arbeitsmarkt und wollen ihren Anteil am Reichtum. In den vergangenen Jahren gab es mehrfach Berichte über hohe Arbeitslosigkeit unter Jüngeren.

International steht das Land wegen Menschenrechtsverletzungen und mangelnden Frauenrechten in der Kritik. Für Aufsehen sorgte in diesem Jahr vor allem der Fall des saudischen Bloggers Raif Badawi, der zu 1.000 Stockhieben verurteilt worden ist, weil er im Internet den Islam beleidigt haben soll. Saudi-Arabien ist zudem weltweit das einzige Land, in dem Frauen kein Auto fahren dürfen. Von ihnen wird stattdessen verlangt, dass sie nur mit Schleier auf die Straße gehen.

Auch islamische Extremisten setzen das Land unter Druck. Im Norden ist die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak bis an die saudische Grenze herangerückt. Im Süden hat sich im Jemen ein mächtiger Ableger des Terrornetzwerks Al-Qaida etabliert. Beide Gruppen wollen das saudische Königshaus stürzen, das die Hoheit über die heiligsten Stätten des Islam in Mekka und Medina hat.

Und dann ist da noch die Konkurrenz des sunnitischen Saudi-Arabiens mit dem schiitischen Iran um die Macht in der Region. Teheran hat seinen Einfluss im Irak und in Syrien stark ausgedehnt. Die Saudis werfen dem Iran zudem vor, die schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen zu unterstützen, auch mit Waffen - ein wesentlicher Grund, warum die Saudis Ende März mit Luftangriffen auf die Huthis im Jemen begannen.

Golf-Fachmann Guido Steinberg geht davon aus, dass Saudi-Arabien nach dieser Personalrochade an einer «sehr anti-iranischen, aggressiven Regionalpolitik» festhält. Ein deutliches Indiz dafür ist eine weitere Entscheidung: Zum neuen Vize-Kronprinzen ernannte der König seinen Sohn Mohammed bin Salman - als Verteidigungsminister steht er in enger Verbindung mit der Militärkampagne im Jemen. (dpa)                                                                                  

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