Fußball in der Wüste - dunkle Schatten über WM in Qatar

Das Finale kurz vor Weihnachten, das Ausrichter-Land kleiner als Schleswig-Holstein und höchst umstritten: Die nächste WM in Qatar wird eine Reise in eine neue Fußball-Welt mit vielen Fragezeichen. Von Florian Lütticke

Auf das nächste sommerliche WM-Fest müssen die Fußball-Fans in Deutschland acht Jahre lang warten. Nicht nur das Motto Glühwein statt Grill bremst die Vorfreude auf die umstrittene Wüsten-Weltmeisterschaft 2022 in Qatar, wo der neue Titelträger erstmals im Dezember gekürt wird. Der politisch in der Region weitgehend isolierte Gastgeber gerät zudem nach dem Vorstoß von FIFA-Präsident Gianni Infantino zur möglichen Ausweitung des Teilnehmerfelds auch immer mehr Druck. Derzeit ist nicht einmal mehr sicher, mit wie vielen Teams gespielt wird - und ob das Emirat der einzige Ausrichter bleibt.

«Wir haben keine Zweifel, dass zahlreiche Fans auch aus Europa nach Qatar kommen werden», sagte Vize-Organisationschef Nassir al-Chatir am Rand der WM in Russland zu allen Bedenken. Das erste Weltturnier in der arabischen Welt werde «die Neugier eines jeden Fans wecken».

Das Konzept verspricht ein außergewöhnliches Turnier: Vier Stadien befinden sich in Doha, vier Arenen sollen maximal 35 Kilometer von der Hauptstadt entfernt sein. Auch mit schwimmenden Hotels will das Land mit 2,7 Millionen Einwohnern den Ansturm aus aller Welt bewältigen. Durch die historische Verlegung auf den Termin kurz vor Weihnachten werden die Temperaturen auf erträglichem Maß sein. Doch das macht eine Änderung des Spielkalenders notwendig, auch die Bundesliga muss viel länger als gewohnt pausieren.

Da macht der Werbespruch der Organisatoren auch doppeldeutig Sinn. Es werde eine «einzigartige und ganz andere WM als jemals zuvor», versprechen die Qataris bei ihrer Ausstellung im Moskauer Gorki-Park. Bislang unerreicht sind auch die Querelen für den Gastgeber: Wie Russland erhielt Qatar die WM vor acht Jahren unter dubiosen Umständen, wie Russland erntet das Emirat Kritik von Menschenrechtsorganisationen. Darüber hinaus hängt die Ablehnung seiner Nachbarstaaten wie ein dunkler Schatten über den Vorbereitungen.

Seit mehr als einem Jahr währt die Blockade durch Saudi-Arabien, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten bereits, die vier Länder werfen Qatar die Unterstützung von Terrorismus vor. Fast schon zynisch wirkt da der Vorschlag von FIFA-Chef Infantino, das Emirat könne doch mit seinen Nachbarn über eine Co-Gastgeberschaft sprechen, sollte die Teilnehmerzahl von 32 auf 48 Teams erhöht werden. «Die Tür ist leicht geöffnet, und wir werden sehen, wie es von hier aus weitergeht», sagte der Weltverbands-Präsident.

Die Debatte über eine Aufstockung, die letztlich das FIFA-Council mitDFB-Präsident Reinhard Grindel beschließen müsste, wird mit Finalabpfiff in Moskau weiter an Fahrt aufnehmen. «Wir werden über eine Entscheidung mit der FIFA diskutieren», sagte Organisationschef Hassan al-Thawadi im Interview der dpa am Final-Wochenende. «Bislang jedoch haben wir uns darauf vorbereitet, ein Turnier mit 32 Teams auszurichten, bis diese Frage geklärt ist.»

Grundsätzlich hat Qatar die Bereitschaft zur Ausweitung des Turniers erklärt. Allerdings vorerst nur für den Fall, dass es weiter in den acht geplanten Stadien stattfinden kann. Russlands WM-Cheforganisator sieht die Pläne skeptisch. «Es ist wichtig, dass wir zuerst auf Qatar hören, was das Land meint. Sie haben sich vorbereitet auf 32 Teams, ihre Infrastruktur ist ausgelegt auf 32 Teams», sagte Alexej Sorokin.

Für die Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen wurde Qatar lange international stark kritisiert, zuletzt erkannten Organisationen aber Fortschritte an. Und auch die gesamte Menschenrechtslage hat sich durch die Golfkrise aus Sicht von Experten nicht verschlechtert.

«Qatar hätte angesichts der politischen Krise in Autoritarismus zurückfallen können», sagte Belkis Wille, Qatar-Expertin bei Human Rights Watch, Anfang des Jahres. «Stattdessen begegnete die Regierung den massiven Problemen in den Beziehungen zu ihren Nachbarstaaten, indem sie die Messlatte für Menschenrechtsstandards in der Golf-Region höher legte.» Organisatorisch könnte die zu erreichende Marke für Qatar ebenfalls kaum höher liegen - Infantino stellte Russland zum Abschied das Prädikat «beste WM aller Zeiten» aus. (dpa)