Fünf Millionen Säcke vergrabener Korane: Friedhof der heiligen Bücher in Pakistan

Kahl und trostlos sind die Berge rund um die pakistanische Großstadt Quetta. Doch einer von ihnen birgt einen großen Schatz: Im Jabal-e-Noor, im Berg des Lichts, lagern Millionen heilige Bücher. "Wir haben dort mindestens fünf Millionen Säcke voll alter Korane begraben", sagt Haji Muzaffar Ali, der den Koranfriedhof verwaltet. Einige davon seien mehr als 600 Jahre alt.

Was tun, wenn der Koran zerfleddert und zerlesen ist? In Pakistan ist das eine heikle Frage. Denn wer dem heiligen Buch nicht den vorgeschriebenen Respekt zukommen lässt, sieht sich schnell dem Vorwurf der Blasphemie ausgesetzt - und die kann in Pakistan mit dem Tod bestraft werden.

Gemäß dem Glauben der Muslime ist der Text des Korans das Wort Gottes, der durch den Propheten Mohammed zu den Menschen gesprochen hat. Deshalb gilt auch das Buch an sich als heilig und darf nicht einfach weggeworfen werden. Religionsgelehrte billigen zwei Wege der Entsorgung: Entweder legt der Gläubige den Koran in fließendes Wasser, das die Tinte von den Seiten wäscht. Oder aber er vergräbt das heilige Buch, eingewickelt in ein Tuch, in der Erde - wie im Jabal-e-Noor.

Ein System von Tunneln durchzieht den Berg, dennoch reicht der Platz kaum mehr aus. Schon vor dem Eingang stapeln sich hunderte Büchersäcke. Der Gründer des Koran-Friedhofs, der Geschäftsmann Abdul Sammad Lehri, hat eine neue Idee, wie die heiligen Bücher respektvoll entsorgt werden könnten. Der 77-Jährige plant eine Koran-Recyclingfabrik. Das Vorhaben ist revolutionär und riskant.

Im benachbarten Afghanistan zerstörten 2011 wütende Demonstranten eine Papiermühle, die angeblich Toilettenpapier aus alten Koranen herstellte. Und im November setzte der Mob eine pakistanische Fabrik in der Provinz Punjab in Brand, weil ein Angestellter Seiten aus dem Koran verheizt haben soll.

Doch Lehris Plan stößt bei den Religionsgelehrten auf Zustimmung. "Es ist nichts daran auszusetzen, dass eine Recyclinganlage Seiten aus dem Koran verwendet", sagt Tahir Mehmood Ashrafi, der Vorsitzende des Rats der Religionsgelehrten. Die Schrift müsse von den Seiten gewaschen und diese Flüssigkeit nach islamischer Vorschrift entsorgt werden, präzisiert der einflussreiche Theologe Muneeb-ur-Rehman. "Danach kann das Papier neu bedruckt oder zu Karton verarbeitet werden."

Doch noch ist es nicht so weit. "Wir wollen die Fabrik bauen und auch weitere Tunnel graben", sagt Lehri. "Aber uns fehlt das Geld dafür." Am Jabal-e-Noor werden die Besucher deshalb um Spenden gebeten.

Seit Lehri und sein Bruder Abdul Rashid 1992 den Koranfriedhof auf dem Gelände ihres Steinbruchs einrichteten, besuchten Hunderttausende den Ort, der nach jenem Berg  in Saudi-Arabien benannt ist, auf dem der Prophet die ersten Koranverse empfangen haben soll. Viele hinterließen ihre geheimen Wünsche an den Tunnelwänden. Auch Lehri hat einen Wunsch: Dass ein befreundeter Milliardär die Recyclingfabrik finanziert. (AFP)