Fragen & Antworten: Ein Monat nach dem Militärputsch - Sudan am Scheideweg

Nach dem Sturz ist vor dem Chaos: Im Sudan wird nach dem Militärputsch um die Neuordnung des Staates gerungen. Die Demonstranten hoffen auf Demokratie. Doch es gibt auch andere Kräfte. Von Jürgen Bätz

Einen Monat nach dem Militärputsch im Sudan ist ein Machtkampf zur Neuaufstellung des Landes in vollem Gange. Die Verhandlungen zur Bildung einer Übergangsregierung zwischen Generälen und Opposition sind ins Stocken geraten. Die Massenproteste für einen demokratischen Neuanfang dauern an. Doch auch Sudans Islamisten und Gönner aus Saudi-Arabien wollen mitreden. Das Militär hatte Langzeitpräsident Omar al-Baschir vor einem Monat gestürzt. Hier ein Überblick zur instabilen Lage in dem Land im Nordosten Afrikas:

Wer hat im Sudan momentan das Sagen?

Der Sturz Al-Baschirs wurde von den Massenprotesten im ganzen Land ausgelöst, doch momentan sitzen die Generäle am längeren Hebel. Sie verhandeln derzeit mit Vertretern der Opposition über die Bildung einer Übergangsregierung. Die Streitkräfte sind noch nicht bereit, sich völlig aus der Politik zurückzuziehen. Die Generäle beanspruchen die Position des Staatschefs und mehrere Schlüsselministerien für sich, darunter Verteidigung und Inneres. Die Opposition fordert hingegen eine zivil geführte Übergangsregierung.

Wie viel Einfluss haben die Demonstranten?

Das Militär scheint zumindest auf Forderungen der Demonstranten zu hören. Der ursprüngliche Anführer des Putsches etwa, Al-Baschirs langjähriger Weggefährte Awad Ibn Auf, trat nach der Ablehnung durch die Demonstranten schon nach einem Tag zurück. Auch andere Mitglieder der alten Garde sind zurückgetreten oder wurden festgenommen. Das Militär lässt die Massenproteste weiter gewähren, denn sonst drohte wohl ein Blutbad. Die Generäle könnten aber auch auf die Ermüdung der Demonstranten setzen, warnt Expertin Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Sie hätten den «längeren Atem».

Wieso gibt es nicht einfach jetzt Neuwahlen?

Der Sudan wurde unter Al-Baschir drei Jahrzehnte mit harter Hand regiert, weswegen es keine gut organisierte politische Opposition gibt. Demonstranten und Militär sind sich daher einig, dass es zunächst eine weitgehend technokratische Übergangsregierung braucht. In der Übergangsphase sollen sich die politischen Gruppierungen organisieren können, um dann eine faire und freie Wahl zu ermöglichen. «Im Moment würde bei einer Wahl einfach die alte Regierungspartei NCP siegen», erklärt SWP-Expertin Weber.

Können die Bemühungen um einen demokratischen Sudan auch scheitern?

Ja, das Militär könnte zum Beispiel an der Macht bleiben. Falls die Demonstranten die Geduld verlieren sollten und es zu Gewalt käme, hätten die Generäle einen perfekten Vorwand, um zur Wahrung von Stabilität und Sicherheit weiter zu regieren. Experten warnen, die Wahrscheinlichkeit von Unruhen steigt, je länger der Übergang zu  einer zivilen Regierung noch dauert.

Welche Bedeutung werden Islamisten im neuen Sudan haben?

Der Sudan ist ein konservatives islamisches Land sunnitischer Prägung. Auch die regierungskritischen Demonstranten sind zumeist gläubige Muslime. Al-Baschir hatte nach seiner Machtübernahme 1989 stark auf die Unterstützung islamistischer Kräfte gesetzt, sich jedoch im Laufe der Zeit wieder von ihnen entfernt. Die Islamisten hoffen nun auf größeren Einfluss. Das Militär hat erklärt, dass die Scharia, das islamische Recht, auch weiterhin Gültigkeit haben soll.

Welche internationalen Akteure verfolgen Interessen im Sudan?

Die Staaten mit handfesten Interessen im Sudan wie das nördliche Nachbarland Ägypten wollen vor allem Stabilität. Saudi-Arabien und die mit ihnen verbündeten Vereinigten Arabischen Emirate haben Milliardenhilfen zugesagt. Saudi-Arabien verfolgt mehrere Ziele: Der Sudan unterstützt das Land im Krieg in Jemen mit Tausenden Soldaten.

Zudem wollen die Saudis die Verfechter eines konservativen Islam im Sudan stärken und zugleich verhindern, dass sich das Land mit ihren Rivalen wie Qatar und Türkei verbrüdert. China wiederum als großer Abnehmer des Erdöls, das in Port Sudan am Roten Meer verschifft wird, hofft auf eine stabile Führung. Für die EU ist das Transitland Sudan ein Partner bei der Begrenzung von Migration in Richtung Mittelmeer. (dpa)