Fatih Çevikkollu: Die einen sagen «Kölle» und die anderen «Allah»

Nachdem der Straßenkarneval in diesem Jahr unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen angelaufen ist, hat auch der Kölner Kabarettist Fatih Çevikkollu bemerkt, dass die Jecken in seiner Heimatstadt etwas nachdenklicher geworden sind - sich das Feiern aber nicht nehmen lassen wollen. Von «Unterrichtsstunden» für Flüchtlinge in Sachen Karneval hält er zugleich recht wenig. Ein Interview über den Grundoptimismus Kölns, die ekligen Seiten des Karnevals und warum «Kölle!» und «Allah!» gar nicht so weit auseinanderliegen.

Der Straßenkarneval hat begonnen. Ist die Stimmung in Köln eine andere als sonst?

Fatih Çevikkollu: Ich habe Weiberfastnacht mitgefeiert. In den Gesprächen merkt man schon, dass es eine bestimmte Aufmerksamkeit gibt. Die Menschen sind sensibilisiert. Sie hoffen, dass es gut geht. Sie sagen aber auch: Wird schon! Sie wollen positive Zeichen setzen. So ist der Kölner, der lässt sich die gute Laune nicht verderben.

Vor Karneval gab es verschiedene Aktionen von Karnevalisten, die Flüchtlingen aus muslimisch geprägten Ländern das Fest «erklären» wollten - zum Beispiel, was es mit dem Bützen (Küsschen geben) auf sich hat. Glauben Sie, dass das notwendig ist?

Çevikkollu: Ich glaube eigentlich nicht. Man sollte die Menschen ja auch nicht unterschätzen. Die sehen ja, was passiert. Der Karneval ist per se ja auch nicht nur Großartiges, er hat auch ekelhafte Seiten. Es kann nicht die deutsche Kultur sein, sich gegenseitig in den Schoß zu brechen. Wenn, dann müsste man so etwas mal erklären, und zwar nicht nur Flüchtlingen. Was man aber herausstellen sollte, ist, dass Karneval eine Einladung darstellt. Alle können mitfeiern. Ich habe in einem Interview kürzlich schon gesagt: Auch Muslime und Christen können miteinander feiern, das ist gar kein Problem. Die einen sagen «Kölle» und die anderen «Allah».

Auch rund um den Rosenmontagszug gibt es seit einigen Jahren eine diffuse Sorge - etwa vor Terrordrohungen. Ist es für einen Kölner vorstellbar, einen «Zoch» abzusagen, mal abgesehen von untragbaren Wetterbedingungen?

Çevikkollu: Absagen halte ich für Quatsch. Die Botschaft, die von so etwas ausgeht, finde ich sehr schwierig. In Rheinberg haben sie einen Zug abgesagt mit der Aussage, dass auf der Strecke ein Flüchtlingsheim liegt. Man fragt sich wirklich, was das soll. Hat man Angst, dass man da vorbei geht, «Kamelle!» ruft, die Flüchtlinge es falsch verstehen und auf die Frauen draufspringen? So etwas spaltet. Und ich bin gegen Spalten. (dpa)

Das Interview führte Jonas-Erik Schmidt.

Fatih Çevikkollu, 43 Jahre alt, wurde in Köln geboren und hat türkische Wurzeln. Seine Eltern sind Muslime, er selbst bezeichnet sich als nicht religiös. In seinen Kabarettprogrammen beschäftigt er sich häufig mit Integration, 2006 gewann er für «Fatihland» den Prix Pantheon. Einem großen TV-Publikum wurde er als Murat in der Comedy-Serie «Alles Atze» (RTL) bekannt.

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