Fall Khashoggi: USA verhängen Sanktionen - Todesurteile gefordert

Die Tötung des Journalisten Khashoggi brachte Saudi-Arabien in politische Bedrängnis - und auch der Druck auf US-Präsident Trump, Verantwortliche zu bestrafen, wuchs. Nun erlässt Washington Sanktionen - auch gegen einen einstigen Vertrauten des Kronprinzen. Von Benno Schwinghammer, Can Merey und Christine-Felice Röhrs

Im Fall des getöteten saudischen Journalisten Jamal Khashoggi hat die US-Regierung Sanktionen gegen 17 ehemalige saudische Regierungsmitarbeiter verhängt. Sie seien «an der abscheulichen Tötung von Jamal Khashoggi» beteiligt gewesen, teilte US-Finanzminister Steven Mnuchin am Donnerstag in Washington zur Begründung mit. Damit zielen die Vereinigten Staaten auf jene Saudis, die auch schon von der Regierung in Riad als Schuldige dargestellt oder mit der Tat in Verbindung gebracht wurden. Der saudische Generalstaatsanwalt hatte nur wenige Stunden zuvor die Todesstrafe für fünf mutmaßliche Beteiligte gefordert.

Der prominenteste von den Sanktionen Betroffene ist Saud bin Abdullah al-Kahtani. Er war zuständig für Medienangelegenheiten am Königshof und wurde in der Nacht gefeuert, in der Riad den Tod Khashoggis eingeräumt hatte. Al-Kahtani gilt als enger Vertrauter von Kronprinz Mohammed bin Salman. Das Finanzministerium teilte mit, die Operation zur Tötung Khashoggis sei von Al-Kahtanis Untergebenem Maher Mutreb koordiniert und ausgeführt worden. Involviert sei außerdem ein Team von 14 weiteren Saudis gewesen.

«Diese Personen, die einen Journalisten, der in den Vereinigten Staaten lebte und arbeitete, angriffen und brutal töteten, müssen für ihre Taten die Folgen tragen», sagte Mnuchin. Auch gegen den saudischen Generalkonsul in Istanbul, Mohammed al-Otaibi, wurden Sanktionen verhängt. Er verließ die Türkei schon vor gut einem Monat und trat seitdem nicht mehr öffentlich auf.

Der Regierungskritiker Khashoggi hatte am 2. Oktober das Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul betreten, um Dokumente für seine Hochzeit abzuholen. Er tauchte nie wieder auf. Erst unter immensem internationalen Druck gab Saudi-Arabien die Tötung des im Exil lebenden Khashoggi zu und leitete Ermittlungen ein.

Riad hatte danach zunächst 18 Verdächtige - darunter die 15 Mitglieder des nach Istanbul gereisten Spezialteams – festnehmen lassen. Al-Kahtani wurde von einem saudischen Offiziellen in der «New York Times» als Mitwisser bezeichnet. Besitz der Betroffenen in den USA wird eingefroren. US-Staatsbürger dürfen mit ihnen außerdem keine Geschäfte mehr machen. Mnuchin forderte die saudische Regierung dazu auf, «angemessene Schritte zu unternehmen, um Angriffe auf politische Dissidenten oder Journalisten zu beenden». Auf US-Präsident Donald Trump war zunehmend Druck ausgeübt worden, im Fall Khashoggi Sanktionen auszusprechen.

Neben den fünf geforderten Todesurteilen verkündete der saudische Generalstaatsanwalt Saud al-Mudschib zudem, dass insgesamt elf - namentlich nicht genannte - saudische Männer angeklagt seien. Als Drahtzieher gelte der ehemalige Vizechef des Geheimdienstes, Ahmed al-Asiri. Al-Asiri stand allerdings nicht auf der US-Sanktionsliste.

Außenminister Adel al-Dschubair beteuerte erneut, dass Kronprinz Mohammed bin Salman nichts von der Mission gewusst habe: «Seine königliche Hoheit, der Kronprinz, hatte nichts mit dieser Sache zu tun». Wegen der internationalen Empörung will das Königreich den Thronfolger nach Einschätzung von Beobachtern aus der Schusslinie heraushalten.

Nach saudischer Darstellung vom Donnerstag gab Ex-Geheimdienstler Al-Asiri in Eigenregie den Befehl an das 15-köpfige Kommando, Khashoggi im Konsulat zu überzeugen, mit ihnen nach Saudi-Arabien zu reisen. Die Situation eskalierte demnach und dem Kolumnisten der «Washington Post» sei eine Injektion verabreicht worden, an der er gestorben sei. Seine Leiche sei zerstückelt, aus dem Konsulat gebracht und einem lokalen Mitarbeiter übergeben worden. Es sei unklar, wo sich die sterblichen Überreste befänden.

Internationale Experten wie auch westliche Diplomaten bezweifeln, dass eine solche Mission im autokratischen Saudi-Arabien ohne Wissen des mächtigen Kronprinzen Mohammed möglich gewesen wäre. Der erst 33-Jährige hatte seinen enormen Einfluss im Land in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut und enge Vertraute an allen Schaltstellen des Landes eingesetzt - zu ihnen gehörte auch der angebliche Drahtzieher Al-Asiri.

Bei mehreren der 15 Mitglieder des Spezialteams wurde ebenfalls eine direkte Verbindung zu Mohammed bin Salman hergestellt. Die «New York Times» hatte am Dienstag zudem berichtet, amerikanische Geheimdienstmitarbeiter gingen davon aus, dass die Täter nach der Tötung Khashoggis den Kronprinzen indirekt über die Ausführung benachrichtigten.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu nannte die Stellungnahme des saudischen Generalstaatsanwalts «nicht zufriedenstellend». Er äußerte Zweifel daran, dass Khashoggi getötet worden sei, nachdem er sich geweigert habe, mit nach Saudi-Arabien zu reisen. «Es war vorab geplant, wie dieser Mann getötet und zerstückelt werden sollte.»

Eine Reihe von Experten bewerteten die saudischen Erkenntnisse als nicht zufriedenstellend. «Riad versucht, einige Beamte unter den Bus zu werfen, um diesen Fall hinter sich zu lassen», schrieb Analyst H.A. Hellyer von der Denkfabrik Atlantic Council. Er mutmaßte, dass Ankara, Washington und auch Europa bald wieder bereit sein würden, mit Mohammed bin Salman zusammenzuarbeiten.

Die US-Sanktionen der Trump-Administration scheinen dem Narrativ Riads zu folgen. Das Verhalten des US-Präsidenten, einer der engsten Verbündeten Riads, wird als ausschlaggebend für die Entwicklung des Falls gesehen. Trump hatte sich mit Sanktionen bis jetzt zurückgehalten und hatte dabei auf die guten Geschäfte, Waffenverkäufe und die Stabilität in Nahost verwiesen. (dpa)