Expertin Schenk sieht Katar-Proteste kritisch - Verweis auf Reformen

Berlin. Die Anti-Korruptions-Expertin und langjährige Sportfunktionärin Sylvia Schenk ist erstaunt über die jüngsten Aktionen mehrerer Fußball-Nationalmannschaften, darunter auch die der deutschen Auswahl. «Es sollte doch wohl um die Migrantenarbeiter auf den Baustellen Katars gehen. Da gibt es keinen Grund für Protest», sagte Schenk in einem Interview des «Spiegel» am Mittwoch. Dies sollte auch dem Deutschen Fußball-Bund bekannt sein. «Eigentlich dachte ich, beim DFB wüssten sie es besser.»



Es sei von den Fakten abgekoppelt, was gerade in Deutschland, den Niederlanden, Norwegen und anderen Ländern laufe, sagte Schenk, die 2017 Mitglied in der Beratungsgruppe für Menschenrechte des Fußball-Weltverbandes FIFA wurde. Die Reformen in Katar seien real, es gebe große Fortschritte, betonte die 68-Jährige unter Berufung auf Vertreter internationaler Gewerkschaften. Natürlich wollten alle, dass es noch schneller gehe. Ein Boykott der Fußball-WM 2022 wäre aus ihrer Sicht völlig verkehrt: «Der würde nur die Beharrungskräfte in Katar stärken, anstatt die Reformkräfte zu unterstützen.»



Der britische «Guardian» hatte berichtet, seit der Vergabe der WM im Jahr 2010 seien in Katar mehr als 6500 Arbeiter aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesch und Sri Lanka gestorben. Das Blatt beruft sich dabei auf Regierungsangaben. In der großen Mehrzahl der Fälle sei eine natürliche Todesursache angegeben worden. Katars Regierung teilte hingegen mit, die Sterberate unter Millionen ausländischer Arbeiter liege in einem zu erwartenden Bereich. Der Zeitungsbericht führe die Öffentlichkeit in die Irre.



Schenk sagte dazu, wenn die Zahlen auf den WM-Baustellen seit Jahren extrem hoch gewesen wären, hätte es schon früher einen Aufschrei gegeben. Tatsächlich seien insbesondere die Todesfälle auf den WM-Baustellen in den Jahren seit 2016 deutlich zurückgegangen, obwohl das Bauvolumen sogar zugenommen habe. Weder Amnesty International noch Human Rights Watch oder die internationalen Gewerkschaften forderten einen Boykott oder stützten sich auf die Zahl 6500. (dpa)