Expertin: Hamburger Islamverträge sind weiterhin Vorbild

Göttingen/Hamburg. Zehn Jahre nach ihrem Inkrafttreten sind die Verträge der Stadt Hamburg mit Muslimen und Aleviten nach Auffassung der Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus weiterhin bundesweites Vorbild. "Hamburg hat in der Tat einen Impuls gesetzt, der sehr stark über die Grenzen der Hansestadt hinaus wahrgenommen wurde", sagte die Göttinger Professorin in einem am Montag veröffentlichten Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Dass bislang nur wenige andere Bundesländer ähnliche Verträge geschlossen haben, liegt laut Spielhaus vor allem am Putsch in der Türkei 2016 und an den von der Regierung in Ankara ergriffenen Gegenmaßnahmen. Im Moment gehe vor allem Rheinland-Pfalz einen "spannenden Weg", bei dem sich die Partner Zeit nähmen und Zielvorgaben setzten. "Ich denke, jedes Bundesland muss seine eigene Geschwindigkeit finden und seine jeweiligen Strukturen berücksichtigen", so die Expertin.

Hamburg hatte 2012 als erstes Bundesland Verträge mit drei Islamverbänden und der Alevitischen Gemeinde geschlossen. Zehn Jahre nach dem Inkrafttreten sollen sie nun planmäßig einer Neubewertung unterzogen werden. Spielhaus ist eine der Referenten auf einem am Mittwoch in Hamburg stattfindenden Fachtag.

"Die Verträge treffen Regelungen zu Feiertagen, Religionsunterricht und Bestattung und decken damit aus meiner Sicht die wichtigsten Fragen ab", erklärte Spielhaus. Der interreligiös getragene "Religionsunterricht für alle" scheine in Hamburg gut zu laufen. Auch die Feiertagsregelung funktioniere ihrer Wahrnehmung nach gut. Potenziale für weitere Felder der Zusammenarbeit sieht die Wissenschaftlerin bei der Jugendarbeit und der Wohlfahrtspflege. "Hier könnte Hamburg bundesweit noch einmal neue Akzente setzen."

Ob der Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg (Schura) weiter Vertragspartner der Stadt bleiben kann, ist nach Spielhaus' Auffassung davon abhängig, wie der Dachverband künftig mit dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) als seinem Mitglied umgeht. "Die Einflussnahme aus dem Iran auf das IZH ist offensichtlich stärker geworden", so die Wissenschaftlerin. Es könne weder aus Sicht der Verbände noch aus Sicht des Senats Ziel sein, einen Vertrag mit solch einem Partner einzugehen. Derzeit prüfe die Schura, ob das IZH seine Mitgliedschaft ruhen lassen könne und habe ein Schiedsgericht eingesetzt.

An der Zusammenarbeit der Stadt mit der Schura hatte es wegen der IZH-Mitgliedschaft zuletzt immer wieder Kritik gegeben. Das IZH, das die Blaue Moschee an der Alster betreibt, wird vom Landesamt für Verfassungsschutz als Außenposten des iranischen Mullah-Regimes in Europa gesehen und steht seit Jahrzehnten unter Beobachtung. (KNA)