Europa schwenkt auf harten Kurs in der Flüchtlingspolitik ein

Es ist ein schwieriger Kompromiss im Streit um Europas Flüchtlingspolitik. In seinen Beschlüssen zur Migration setzt der EU-Gipfel vor allem auf den Außengrenzschutz. Mit einer stundenlangen Blockade erstritt sich aber auch das Hauptankunftsland Italien ein Zugeständnis. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kam der Gipfel in einem Punkt im Asylstreit mit der CSU etwas entgegen. Ein Überblick:

SEKUNDÄRMIGRATION

Hier geht es um Asylbewerber, die bereits in einem Land registriert wurden, aber in andere EU-Staaten weiterreisen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will sie notfalls im nationalen Alleingang an der Grenze zurückweisen. In der Erklärung des Brüsseler Gipfels heißt es nun, die EU-Staaten sollten "alle notwendigen internen gesetzlichen und verwaltungstechnischen Maßnahmen" ergreifen, um die Sekundärmigration zu verhindern "und bei diesem Ziel eng zusammenzuarbeiten".

Der Gipfel gab Merkel damit eher symbolisch Rückendeckung für "bi- oder trilaterale" Abkommen zur Rückführung bereits erfasster Asylbewerber - denn rechtlich möglich sind diese Abkommen schon längst.

LIBYSCHE KÜSTENWACHE

Libyen ist das Hauptdurchgangsland für Flüchtlinge auf dem Weg nach Italien. Seit Jahren unterstützt die EU den Aufbau der Küstenwache des Landes: Sie soll die Flüchtlinge in Libyens Gewässern retten und an Land zurückbringen. Diese Hilfe soll nun weiter verstärkt werden. Das Vorgehen gegen von Libyen aus operierende Schleuser soll "weiter intensiviert werden".

SEENOTRETTUNG DURCH HILFSORGANISATIONEN

Italien und Malta kritisieren seit Jahren Hilfsorganisationen, die mit ihren Schiffen Flüchtlinge vor Libyen aufnehmen. Sie werfen ihnen vor, das Geschäft der Schlepperbanden zu erleichtern. Jüngst sperrten beide Länder ihre Häfen für solche Boote.

In den Gipfelschlussfolgerungen heißt es nun: "Alle im Mittelmeer verkehrenden Schiffs müssen geltendes Recht befolgen und dürfen die Einsätze der libyschen Küstenwache nicht stören." Maltas Regierungschef Joseph Muscat feiert dies als klare Rechtfertigung seiner Position.

AUFNAHMEZENTREN AUSSERHALB DER EU

Nach den Hafenschließungen Italiens und Maltas unterstützt der Gipfel Pläne, "schnell" Aufnahmezentren außerhalb der EU für im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge zu prüfen. Diese "regionalen Ausschiffungsplattformen" in Drittstaaten sollen "in enger Zusammenarbeit" mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) errichtet werden, um internationale Standards sicherzustellen. Bisher hat sich aber kein Land etwa in Nordafrika bereit erklärt, solche Lager zu beherbergen.

FLÜCHTLINGSZENTREN IN DER EU

Sie erzwang das Hauptankunftsland Italien, das sich seit Jahren von den EU-Partnern im Stich gelassen fühlt. Aus Seenot gerettete Migranten sollen nun auch in von anderen EU-Mitgliedstaaten freiwillig eingerichtete "kontrollierte Zentren" gebracht werden. Asylberechtigte könnten von dort aus auf andere EU-Länder verteilt werden - aber nur, wenn diese freiwillig zustimmten. Im Detail lässt der Kompromiss viele Fragen offen. Unklar ist auch, ob es sich um "geschlossene Zentren" handeln soll, die effektiv eine Weiterreise von Migranten verhindern.

EU-GRENZSCHÜTZER

Die "unterstützende Rolle" der Grenz- und Küstenschutzbehörde Frontex soll "weiter gestärkt werden". Dies gelte sowohl für die Grenzsicherung als auch für die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Dabei werden einerseits "mehr Mittel" für die Behörde und andererseits ein "verbessertes Mandat" genannt. Konkrete Zahlen und Details fehlen aber. Die EU-Kommission hat bereits eine Aufstockung um 1000 auf 10.000 Beamte vorgeschlagen - allerdings erst ab 2021. Dies könnte womöglich nun schneller gehen.

EU-ASYLREFORM

"Viele Fortschritte" gibt es laut Gipfel bei der Asylreform. Denn vereinbart sind etwa bereits Beschränkungen von Versorgungsleistungen für Asylbewerber, Sanktionen beim Weiterzug in andere EU-Länder und die verbesserte Erfassung in der Fingerabdruck-Datenbank Eurodac.

Nun sei auch ein "Konsens" bei der Reform der Dublin-Verordnung nötig, erklärte der Gipfel. Nach ihr müssen Asylanträge bisher im Erstankunftsland bearbeitet werden. Pläne für die Umverteilung von Flüchtlingen in andere EU-Staaten blockieren osteuropäische Länder aber seit Jahren. (AFP)