Erdogans Partei steht bei Kommunalwahl vor Verlust von Ankara

Nach einem nervenaufreibenden Kopf-an-Kopf-Rennen bei den Kommunalwahlen in Istanbul und Ankara steht die Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan vor dem Verlust der Hauptstadt. Ihr Kandidat Binali Yildirim beanspruchte am Sonntagabend aber den Sieg in Istanbul, obwohl noch nicht alle Stimmzettel ausgezählt waren und er nur 5.000 Stimmen in Führung lag. Die Opposition warf Yildirim daraufhin "Manipulation" vor und beanspruchte selbst den Sieg.

Bei den landesweiten Kommunalwahlen waren alle Augen auf die Millionenmetropolen Istanbul und Ankara gerichtet, die seit Jahren von der AKP regiert werden. Am späten Abend lag Yildirim in Istanbul mit 48,7 Prozent praktisch gleichauf mit dem CHP-Kandidaten Ekrem Imamoglu, doch beanspruchte er bei einem Auftritt vor jubelnden Anhängern den Sieg für sich. "Wir haben gewonnen", sagte der frühere Ministerpräsident.

Imamoglu hielt zeitgleich mit Yildirim eine Pressekonferenz in Istanbul ab, bei der er dem AKP-Kandidaten "Manipulation" vorwarf. Die Hohe Wahlkommission müsse ihrer "historischen Verantwortung" gerecht werden, sagte Imamoglu und mahnte, die Auszählung sei nicht beendet, da noch zwei Prozent der Stimmen fehlten. Er hatte zuvor unter Berufung auf eigene Ergebnisse erklärt, dass er deutlich vorne liege.

"Gemäß unseren Daten hat Ekrem Imamoglu gewonnen", sagte auch der CHP-Vorsitzende Kemal Kilicdaroglu bei einer Pressekonferenz. "Niemand wird die nächsten 48 Stunden schlafen. Wir werden die Urnen nicht allein lassen." Schon bei den Abstimmungen in den vergangenen Jahren hatte es Vorwürfe der Opposition gegeben, dass die Regierungspartei die Ergebnisse in ihrem Sinne manipuliere.

Während das Rennen in der Bosporus-Metropole auch um Mitternacht nicht entschieden war, stand die AKP in der Hauptstadt nach 25 Jahren vor dem Verlust des Rathauses. Nach Auszählung von 92 Prozent der Stimmzettel lag der CHP-Kandidat Mansur Yavas laut der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu mit 50,6 Prozent klar in Führung. Amtsinhaber Mehmet Özhaseki von der AKP erreichte nur 47,2 Prozent.

Erdogan sagte bei einer Pressekonferenz in Istanbul, jeder Sieg und jede Niederlage sei der Wille des Volkes und müsse akzeptiert werden. Er vermied es aber, sich zu den Ergebnissen in Istanbul, Ankara oder anderen Städten zu äußern. Anschließend reiste er zur traditionellen Balkonrede zum AKP-Hauptquartier in Ankara.

Auch in der drittgrößten türkischen Stadt Izmir stand die CHP am Abend vor einem klaren Sieg. Wie bei früheren Wahlen gingen praktisch alle Küstenprovinzen im Westen an die linksnationalistische Partei, während Zentralanatolien mehrheitlich an die AKP fiel. Die prokurdische HDP stand ihrerseits vor einem Sieg in mehrheitlich kurdischen Provinzen wie Diyarbakir, Mardin und Hakkari im Südosten sowie Van und Kars im Osten.

Der Wahlkampf war geprägt gewesen von scharfen Angriffen Erdogans auf die Opposition, die er als Feinde der Türkei und des Islam bezeichnete. Die Wahl erklärte er zur Frage des "nationalen Überlebens" angesichts der Bedrohung durch innere und äußere Feinde. Obwohl Erdogan selbst nicht zur Wahl stand, tourte er über Wochen durch das Land und machte so den Urnengang auch zu einer Abstimmung über seine eigene Politik.

Dabei war die Wirtschaftslage alles andere als günstig für die AKP: Erstmals seit zehn Jahren ist die Türkei in die Rezession gerutscht, die Inflation liegt bei 20 Prozent und die Arbeitslosigkeit ist auf 13,5 Prozent gestiegen. Kurz vor der Wahl sorgten starke Schwankungen der Währung für zusätzliche Nervosität in Ankara, nachdem die Lira vergangenen Sommer inmitten einer diplomatischen Krise mit den USA eingebrochen war. (AFP)