Ditib-Imame im Spagat - Vorbeter zwischen deutschen und türkischen Interessen

«In welchem Jahrhundert begann die von Martin Luther angestoßene Reformation?», heißt es in einem Test der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet für türkische Imame, die in deutschen Moscheen arbeiten wollen. Der Test bietet vier mögliche Antworten. Von Andreas Gorzewski

Wer als Imam in eine der knapp 900 Moscheen der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) in Deutschland kommt, soll nicht nur Gebete und Korankurse leiten. Er soll auch Kontakte zu Kirchen, Polizei und Schulen pflegen können. Doch damit tun sich viele Imame noch schwer. Die meisten von ihnen sind türkische Beamte, ausgewählt und bezahlt vom türkischen Staat. Das wird immer wieder kritisiert, zum Beispiel von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, der die Finanzierung von Moscheen und die Entsendung von Imamen aus dem Ausland beenden will.

Vor allem die mangelnden Deutschkenntnisse der Religionsbeauftragten stehen am Pranger. Damit verbunden ist der Verdacht, dass integrationsfeindliche Inhalte gepredigt werden könnten. Zusätzlich ist die enge Bindung der Ditib an die staatliche türkische Religionsbehörde Diyanet vielen Politikern ein Dorn im Auge. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir bezeichnete die Ditib als «verlängerten Arm des türkischen Staates».

Die Ditib betont dagegen, dass die Moscheevereine in Deutschland von sich aus die Theologen aus Istanbul und Anatolien anforderten. Der Verband habe von jeher «im Rahmen des Grundgesetzes» gehandelt und ein gemäßigtes Islamverständnis vertreten. Dies sei möglich durch fachlich kompetente und gut ausgebildete Theologen, erklärt die Ditib-Zentrale in Köln.

Ein Verbot von ausländischen Religionsbediensteten in Deutschland lehnt der Ditib-Abteilungsleiter für Außenbeziehungen, Zekeriya Altug, strikt ab. Dies untergrabe die vom Grundgesetz garantierten Rechte der Religionsgemeinschaften. Er verteidigt den Einsatz der Vorbeter. «Unsere Gemeinden vertrauen ihren Imamen. Die Imame machen gute Arbeit», sagt der promovierte Physiker.

Wer sich in der Türkei für den meist fünfjährigen Dienst im Ausland bewirbt, muss ein Studium und Berufserfahrung vorweisen sowie Tests wie den oben erwähnten bestehen. Außerdem entscheiden Vertreter der türkischen Ministerien für Bildung, Kultur, Finanzen und Äußeres mit über die Eignung. Die Imame sollen neben religiösen Dienstleistungen auch die kulturellen Verbindungen zur Türkei pflegen. Gleichzeitig sollen sie die Gemeindemitglieder in Deutschland bei der Bewältigung von Alltagsproblemen unterstützen.

Die Ditib ist der größte Moscheeverband. Andere Organisationen wie der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) müssen ihre Vorbeter aus eigenen Mitteln bezahlen. Sie bilden einen Teil ihres religiösen Personals in privaten Einrichtungen in Deutschland oder der Türkei aus.

Ditib-Imame, die sich auf einen Einsatz zwischen Konstanz und Flensburg vorbereiten, müssen fünf Monate lang Deutschkurse des Goethe-Instituts besuchen, erläutert Altug. «Dass das nicht alle Informationslücken schließt, ist auch uns bewusst», sagt er. Viele Imame sprechen auch nach Jahren in der Bundesrepublik nur gebrochen Deutsch. Deshalb fördert die Ditib muslimische Studierende an deutschen Universitäten.

Zusätzlich hilft sie türkischstämmigen Abiturienten in Deutschland, die in der Türkei islamische Theologie studieren. 28 Absolventen dieses Programms sind laut Altug bereits in Ditib-Moscheen tätig. Noch in diesem Jahr sollen 32 hinzukommen. Sie sind keine türkischen Beamten, werden Altug zufolge aber dennoch von der Religionsbehörde in Ankara bezahlt. «Eine Eigenfinanzierung der Imame kann sich die Ditib finanziell nicht leisten. Die Gehälter der Imame sind die einzige finanzielle Unterstützung aus dem Ausland.»

Nach der jüngsten Auswahlrunde für Auslandsimame erklärte die türkische Religionsbehörde, dass 200 Bewerber die Prüfungen bestanden hätten. Sie sollen auf türkeistämmige Gemeinden in Europa, Nordamerika und Australien verteilt werden. Ein Großteil von ihnen wird ausscheidende Vorbeter in Deutschland ersetzen. (epd)