Direktor des Lateinischen Patriarchats: Gaza ist am Tiefpunkt

Der Generaldirektor des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, Sami al-Yousef, sieht die Lage im Gazastreifen von Frustration und Mangel geprägt. Die humanitäre Situation sei noch nie so schlecht gewesen, sagte er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Menschen und Institutionen litten dramatisch unter der gegenwärtigen Lage. Al-Yousef hält sich alle zwei Monate zu mehrtägigen Besuchen im Gazastreifen auf. Von den rund 1.000 Christen dort sind 138 katholisch.

Es gebe Berichte über einen Mangel an Sicherheit in den Straßen Gazas. Diebstähle in Häusern und Institutionen nähmen zu. Dies sei ein unmittelbares Ergebnis der wirtschaftlichen Situation in Gaza, so al-Yousef. "Weder die Hamas noch die Palästinenserbehörde zahlen Löhne; und wenn, dann nur Teile und mit Verspätung", so der Kirchenvertreter. "Die Menschen haben kein Geld mehr in den Händen."

Die Arbeitslosigkeit bezifferte er mit 50 Prozent. Bei unter 35-Jährigen und bei Frauen liege sie sogar bei über 70 Prozent. "De facto haben wir eine Bevölkerung ohne Einkommen und Arbeit", sagte al-Yousef. Täglich gebe es nicht mehr als zwei bis drei Stunden Strom, keine zuverlässige Versorgung mit sauberem Wasser, dazu ein zusammengebrochenes Abwassersystem.

Zu Vorwürfen von Christen aus Gaza, die Kirchen hinderten sie an der Ausreise, sagte al-Yousef, die Kirchen hätten keine Kontrolle über den Grenzübergang. "Israel könnte Gaza über Nacht von seiner christlichen Bevölkerung entleeren, wenn es wollte", so der Kirchenvertreter. Anders als im Irak, wo die religiöse Hierarchie aktiv Abwanderung blockiere, "wollen wir die Christen in Gaza nicht zum Bleiben zwingen - auch wenn wir uns natürlich wünschen, dass sie bleiben". (KNA)