Die Organisation "Sulala Animal Rescue" rettet Gazas Streuner

Nicht nur die Menschen, auch die Tiere im Gazastreifen leiden unter dem Krieg. Und schon zu normalen Zeiten haben Streuner kein einfaches Leben. Die private Tierrettungsorganisation Sulala hilft, wo sie kann.

Gaza. Katzen haben sieben Leben, sagt der Volksmund. In diesem Sinne ist Sasha wohl in die falsche Art geboren. Mehr als einmal hat die Straßenhündin aus Gaza überlebt. Den Unfall etwa, der ihren Rücken so schwer verletzte, dass seither ihre Hinterläufe gelähmt sind. Und die Raketen der jüngsten Gewalt im israelisch-palästinensischen Konflikt, deren Schrapnellen ein Auge schwer verletzten. Dass Sasha lebt, hat sie auch Said Al-Err zu verdanken. 2015 gründete er "Sulala", eine Organisation, die sich um Straßentiere kümmert. Und der Bedarf ist groß.

Neun Uhr abends. Im Schein der batteriebetriebenen Notlampe streicht Saids Hand über das wuschelige Fell eines stattlichen Katers. Strom gibt es um diese Zeit nicht in Gaza; Katzen im Haus der Al-Errs dafür im Überfluss. "Ungefähr 40, ein paar weitere leben in unserer Hundestation", sagt Said. Viele haben einen Namen, von fast allen kennt er die Geschichte. Da ist der kleine schwarze Kater mit den kecken grünen Augen, der neben Said auf der Sofakante liegt, die Vorderpfote so lässig baumelnd, wie es nur Katzen können. "Er gehört einer Ärztin, die zu einem Einsatz im Sudan ist. Ihre Familie schmiss das Tier raus, und sie bat mich, mich um ihn zu kümmern."

Ein Anruf unterbricht seine Erzählung. Jemand meldet zwei Welpen, die von anderen Anwohnern geschlagen werden. Sachlich erfragt Al-Err die Adresse, gibt Instruktionen. Über Nacht sollten die Tiere an einen sicheren Ort gebracht werden, morgen früh komme er sie abholen. Die Nummer der ehrenamtlichen Tierschützer hat sich herumgesprochen. Mit Aufklärungsarbeit versuchen Al-Errs rund 20 freiwillige Helfer, die Menschen von Gaza für Tierrechte zu sensibilisieren.

Durchschnittlich fünf bis sechs Anrufe täglich bekommt Sulala. An diesem Tag kamen sie aus Rafah im Süden und aus dem Flüchtlingslager Nuseirat im Zentrum von Gaza. "Vorrang hat, wer blutet", erklärt der Retter die einfache Hierarchie. Über die Jahre hat er sich Fachwissen angeeignet. "In meiner Wohnung habe ich alles, um einfache Krankheiten und Verletzungen selbst zu behandeln. Für alle anderen Fälle haben wir einen Tierarzt, der uns einen Sondertarif gibt", so Said.

Er tue es für die Tiere und gegen die Mentalität der Menschen, sagt Said. "Ich wollte ein Vorbild sein: der erste, der sich um die Straßentiere kümmert." Tiere, egal welche, haben es ihm immer schon angetan, erklärt der knapp 50-Jährige. Ein Training für die Arbeit mit Hunden 2005 in Russland gab den letzten Anstoß. "Wir sehen viel Gewalt gegen Tiere in Gaza. Sie werden angefahren und verletzt liegengelassen, geschlagen oder erschossen", sagt Saids 21-jähriger Sohn Saed, der schon in die Fußstapfen des Vaters getreten ist.

Tagsüber ist Sohn Saed auf einem sandigen Stück Land unweit des Grenzübergangs Erez anzutreffen. Das hat die Stadt Gaza der Familie vor drei Jahren zur Verfügung gestellt, damit sie sich weiter um herrenlose Tiere kümmert. Knapp 2.500 Euro Pacht spart die Familie seither jährlich, die Sulala neben Spenden vor allem aus eigener Tasche finanziert. Said und Saed suchen nach internationaler Hilfe für ihr Projekt. Nach den jüngsten Kampfhandlungen etwa habe eine US-Organisation rund 1.600 Euro Soforthilfe gespendet.

Es bleibt ein kleiner Anteil an den Kosten, die sich durch die Pandemie deutlich erhöht haben. "Früher haben befreundete Schlachter uns die Schlachtabfälle für die Hunde geschenkt. Mit Corona und dem letzten Krieg mussten wir auf Trockenfutter umsteigen", so Saed. Vater Said ist unterdessen über die Bücher gegangen, um den Bedarf zu ermitteln. Umgerechnet 5.600 Euro braucht die Familie, um die derzeit 200 Hunde und 50 Katzen zu versorgen.

Die jüngste Gewalteskalation hat Sulalas Arbeit nicht erleichtert. Die Tierstation liege in einem sehr gefährlichen Gebiet; nur kurze Besuche zum Füttern waren möglich, erklärt Saed. "Nach dem Waffenstillstand fanden wir zehn Hunde verletzt. Ein Esel und ein Pferd wurden getötet." Das Trauma des Krieges sei bei allen Tieren zu spüren gewesen. "Die Hunde reagierten mit Panik und Aggression auf jedes Geräusch. Mit viel Zeit und Spiel haben wir sie psychosozial unterstützt."

Die Tiere von Sulala haben Glück, manchmal sogar sehr viel. Wie Sasha: Zusammen mit Billy, dem eine Pfote amputiert werden musste, und Jack wurde sie von einem kanadischen Arzt adoptiert. Nun warten sie auf die Ausreise. (KNA)