Die Kirche, Gülen und der CIA - Verschwörungstheorien in der Türkei bringen Christen in Bedrängnis

Seit dem Putschversuch in der Türkei wird viel über die Drahtzieher spekuliert. Gefährliche Vorwürfe gibt es auch gegenüber den Christen. Eine Falschmeldung sorgt bei den Christen in der Türkei für Verdruss. Ein Online-Journal aus Moskau veröffentlichte eine Verschwörungstheorie, wonach der Umsturzversuch im Juli das Werk einer einflussreichen Allianz war. Von Mey Dudin

Die Protagonisten demnach: Die griechisch-orthodoxe Kirche, der Islam-Prediger Fethullah Gülen und der US-Geheimdienst CIA. Der Bericht, der inzwischen gelöscht wurde, bringt die christliche Minderheit angesichts des politisch aufgeheizten Klimas in der Türkei in Gefahr.

Erste Gerüchte tauchten bereits unmittelbar nach dem gescheiterten Putsch am 15. Juli gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan auf. Grund war, dass Bartholomäus I., der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, der in Istanbul residiert und zugleich Ehrenoberhaupt der orthodoxen Weltkirche ist, das Land unmittelbar vor dem Umsturzversuch verlassen hatte.

Er habe wohl davon gewusst, spekulierten Medien. Das Umfeld des Patriarchen dementierte: Nach Angaben der Wiener Stiftung Pro Oriente war der zehntägige "Pilger- und Erholungsaufenthalt in Slowenien und Frankreich" seit zwei Monaten geplant.

Mitte August erschien in der Moskauer Web-Zeitschrift "Oriental Review" ein Artikel auf Englisch, der den Patriarchen in eine missliche Lage brachte: Bartholomäus I. sollte in den Putschversuch involviert gewesen sei.

"Ist der Patriarch ein trojanisches Pferd der USA in der orthodoxen Welt?", hieß es im Vorspann. Der Text handelte von Verbindungen des Patriarchats zu griechischen US-Milliardären, die wiederum gute Kontakte zum CIA und dem im US-Exil lebenden Prediger Gülen pflegen sollen.

Gülen gilt unter Erdogan-Anhängern als Hauptverantwortlicher für den Putschversuch. Als Autor des Artikels wurde der ehemalige US-Botschafter Arthur Hughes genannt. Dieser hat inzwischen betont, nichts mit diesem Bericht zu tun zu haben. Zwar wurde der Text mittlerweile von der Website entfernt, sein Inhalt hat es aber prominent in die türkischen Medien geschafft.

Die regierungsnahe Zeitung "Aksam" spekulierte, wegen der verbesserten Beziehungen zwischen Erdogan und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sei das Interesse der USA an einem Putsch in der Türkei geweckt worden. Anfang September legte die Zeitung "Yeni Safak" nach: Der Erdogan-treue Chefredakteur Ibrahim Karagül schrieb ausführlich über eine "CIA-Gülen-Fener"-Verbindung. Im Istanbuler Stadtteil Fener hat das Ökumenische Patriarchat seinen Sitz.

Als einer der wichtigsten Drahtzieher wurde Vater Alexander Karloutsos genannt. Er sei der Verbindungsmann zu Gülen und dem CIA, hieß es. Der Geistliche ist Mitglied des Ökumenischen Patriarchats und in New York zuständig für die Pressearbeit der griechisch-orthodoxen Erzdiözese der USA.

Als "Irrsinn" bezeichnet er die Anschuldigungen. Zum Vorwurf, er habe Kontakte zum CIA, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd): Mit dem ehemaligen CIA-Chef George Tenet, der ebenfalls aus New York stammt, sei er seit mehr als 40 Jahren befreundet: "Wir sind beide griechisch-orthodox und Teil der griechisch-orthodoxen Kirchengemeinde."

Vorwürfe, er habe Gülen 1999 bei der Flucht aus der Türkei geholfen, wies er zurück: "Als ich Gülen zum ersten Mal getroffen habe, lebte er schon in den USA." Damals sei Erdogan Bürgermeister in Istanbul gewesen und habe in den höchsten Tönen über Gülen gesprochen. Karloutsos betonte: "Beide waren zu der Zeit Repräsentanten einer moderaten muslimischen Gemeinschaft."

Verschwörungstheorien kursieren auch über andere Minderheiten. "Es gibt Gerüchte in der regierungsnahen Presse, wonach Gülen armenisch-jüdischer Abstammung sein soll", sagt der Vorsitzende der Deutsch-Armenischen Gesellschaft, Raffi Kantian. Auf die Seite der Christen stellte sich hingegen jüngst der Kommentator von "Hürriyet Daily News", Mustafa Akyol.

Mit Hinweis auf den Sitz des Magazins "Oriental Review" in Moskau schrieb er: "Ich wittere innerorthodoxe Spannungen. Es ist kein Geheimnis, dass die Russische Orthodoxe Kirche seit langer Zeit Groll gegen das Patriarchat von Konstantinopel hegt." Akyol schloss daraus: "Türken sollten ihr Patriarchat (ja, es ist unser Patriarchat) gegen schamlose Verleumdungen aus dem Ausland schützen." (epd)