Navigieren in gefährlichen Gewässern

Die Mission der Arabischen Liga in Syrien steht im Kreuzfeuer der Kritik - und mit ihr der Irak, der diese Mission vermittelt hat. Einzelheiten aus Bagdad von Birgit Svensson

Schon bevor die Mission der Arabischen Liga in Syrien begann, stand sie bereits im Kreuzfeuer der Kritik. Jetzt, nach der Hälfte der Zeit wurden Stimmen laut, die Mission abzubrechen und die Beobachter zurückzuziehen. Sie habe ihr Ziel verfehlt und sei zum Handlanger des Regimes in Damaskus verkommen, schreien die syrischen Oppositionellen.

Die Regierung von Baschar al-Assad wiederum betrachtet die arabischen Beobachter, die überall im Land herumfahren und oft mitten in den Massenprotesten stehen, mit Argwohn. Assad hätte wohl auch nichts dagegen, wenn diese "Störenfriede" abgezogen würden. Doch die Mehrheit der Außenminister der 22 Länder umfassenden Organisation votierte vor kurzem in Kairo dafür, die Zahl der Beobachter von derzeit 165 sogar noch aufzustocken und die Mission wie vorgesehen bis Ende Januar durchzuführen.

Generalsekretär Nabil al-Arabi hat sich damit durchgesetzt. Zwar räumte er Fehler ein. Doch sei dies die erstmalige Entsendung von Beobachtern in der Geschichte der Liga überhaupt, warb der Ägypter um Verständnis.

Die Beobachter sollen einen Friedensplan durchsetzen, wonach die Regierung in Damaskus ihr Militär von den Straßen abzieht und die Gewalt gegen Zivilisten gestoppt werden soll. Doch das Gegenteil scheint gegenwärtig der Fall zu sein. Wann immer die arabischen Beobachter mit ihren gelben Westen auftauchen, scheinen die Proteste zu eskalieren. Immer mehr Menschen gehen daher auf die Straße, um ihrem Ärger Luft zu machen und den Männern zu erzählen, was ihnen widerfahren ist.

Schüsse in die Menschenmenge

Syriens Präsident Assad; Foto: APTN/AP/dapd
Rote Karte für Assad: Geht es nach dem Willen der Arabischen Liga, soll der syrische Präsident die Macht an einen Stellvertreter abgeben und eine Einheitsregierung bilden. Danach soll es vorgezogene Wahlen geben, um die Krise in Syrien zu beenden.

​​Das Militär greift nach wie vor ein. Von Heckenschützen berichtet ein Liga-Beobachter dem arabischen Fernsehsender "Al Jazeera", der wahllos in die Menge geschossen habe. Daraufhin wird dieser zur Verschwiegenheit ermahnt.

Erst der abschließende Bericht solle das Resultat der Beobachtermission öffentlich machen und weitere Schritte nach sich ziehen. Die syrische Regierung dagegen will erfahren haben, dass die Beobachter die Existenz bewaffneter Gruppen bescheinigen.

Außerdem habe die Mission Syrien die teilweise Umsetzung seiner Verpflichtungen unter dem Aktionsplan der Liga attestiert, berichtet die nicht-staatliche Tageszeitung "Al Watan". Inzwischen erfolgte ein weiterer Terroranschlag während der Mission mit wiederum fast 30 Toten. Die Regierung in Damaskus macht hierfür "islamistische Terroristen" verantwortlich. Die Opposition wirft den syrischen Sicherheitskräften vor, den Anschlag selbst inszeniert zu haben, um ihre These von einer ausländischen Intervention und einem aufkeimenden Bürgerkrieg zu stützen. Die Lage wird immer verworrener.

Polarisierende Effekte auf die Region

Und mittendrin in dem Wirrwarr steht auch der Irak. Die Sorge um die Zukunft des Nachbarlandes bewegt derzeit alle ethnischen und religiösen Gruppen im Irak, der selbst fürchten muss zum Spielball der rivalisierenden Regionalmächte Iran, Saudi-Arabien und Türkei zu werden. Die Krise in Syrien polarisiert die Region und es steht zu befürchten, dass das Blutbad dort schlimme Auswirkungen auf die Nachbarstaaten haben wird. Auf der einen Seite sind sunnitisch dominierte Länder wie die Türkei und Saudi-Arabien, auf der anderen Seite der schiitische Iran und mit ihm die im Libanon regierende Hisbollah.

Im Spannungsfeld der rivalisierenden Mächte hat Bagdad eine drastische Kehrtwende vollzogen, die für viele verblüffend ist. Während die irakische Regierung über Jahre hinweg nicht müde wurde, Syrien für den Terror im Irak mitverantwortlich zu machen, enthielten sich die Iraker - neben den Libanesen - als einzige ihrer Stimme, als es darum ging, in der Arabischen Liga Wirtschaftssanktionen gegen Syrien zu beschließen und seine Mitgliedschaft zu suspendieren.

Mahmud Suleiman Hadsch Hamad; Foto: Screenshot Al Jazeera TV
Der ehemalige Finanzinspektor des syrischen Regierungschefs, Mahmud Suleiman Hadsch Hamad, beschuldigt Assad, dass die syrische Regierung Geld aus dem Iran und Irak bekäme, um die Proteste niederzuschlagen.

​​Mehr noch: ein zur Opposition übergelaufener Finanzinspekteur der syrischen Regierung, Mahmud Suleiman Hadsch Hamad, spricht von zwei Milliarden Pfund (knapp 28 Millionen Euro), die Bagdad an Damaskus überwiesen hätte. Damit bezahle Assad Milizen, die zusammen mit der syrischen Armee Gewalt gegen Demonstranten ausüben.

Außenminister Hoshiar Zebari begründete diesen Schritt mit dem Argument, dass der Sturz Assads böse Folgen für sein Land haben werde und die Gefahr bestünde, dass Extremisten in Damaskus die Oberhand gewinnen könnten. Damit folgte er der Argumentation Assads.

Die Arabische Liga war empört. Die Entscheidung Iraks kam zu einer Zeit, als die amerikanischen Truppen ihre Sachen packten und sich für den Abzug vorbereiteten. Diplomaten der Liga sahen darin ein Zugeständnis Iraks an Teheran, ein enger Verbündeter Syriens und eine Umorientierung der Außenpolitik Bagdads. "Während Premier Nuri al-Maliki die ehemaligen Baath-Parteimitglieder im eigenen Land verfolgt, unterstützt er Assads Baath-Partei in Syrien", hörte man auf den Fluren der Liga im Hauptquartier in Kairo. Ein eklatanter Widerspruch, der kaum zu überbieten sei.

Deals mit dem Assad-Regime

Tatsächlich berichteten irakische Medien daraufhin, Assad habe Maliki eine Liste von irakischen Baath-Parteimitgliedern zugespielt, die angeblich einen Putsch gegen den Premier nach Abzug der Amerikaner geplant hatten. Eine beispiellose Verhaftungswelle begann. 600 zumeist sunnitische, ehemalige irakische Baath-Parteimitglieder landeten im Gefängnis.

Assad versprach, demnächst weitere hochrangige Baathisten, die bei ihm in Syrien im Exil leben, an den Irak auszuliefern. Damit war der Beistand Malikis gesichert. Sein Sicherheitsberater Faleh al-Fayad reiste nach Damaskus und bewegte Assad dazu, in die Mission der Arabischen Liga einzuwilligen. Zuvor lehnte dieser jegliche Kooperation mit der Organisation ab.

Moktada al-Sadr; Foto:dpa
Assad treu zu Diensten: Der pro-iranische Schiitenführer Moktada al-Sadr, ein unverzichtbarer Koalitionspartner Malikis, hatte unverhohlen seine Unterstützung für Assad deutlich gemacht.

​​

Für die Iraker ist dies ein gefährlicher Spagat, denn jede Volksgruppe des Landes hat andere Interessen im Nachbarstaat. Ein Blick in das ethnische und religiöse Spektrum macht dies deutlich. Der pro-iranische Schiitenführer Moktada al-Sadr, ein unverzichtbarer Koalitionspartner Malikis, hatte unverhohlen seine Unterstützung für Assad deutlich gemacht. Er beschimpfte die Arabische Liga als ein "subversives Konsortium", das den Interessen der USA und Israels zu Diensten sei.

Angst vor sunnitischer Dominanz?

Syrische Oppositionsgruppen beschuldigen al-Sadr, Tausende seiner Mahdi-Milizionäre nach Syrien zu senden, um mit Regierungstruppen gegen Aufständische zu kämpfen, was dieser jedoch vehement dementiert. Andere Schiitenparteien wiederum versagen Damaskus jegliche Unterstützung und beschuldigen Assad, den sunnitischen Terror nach dem Einmarsch der US-Truppen 2003 unterstützt zu haben.

Die Kurden Iraks sind ebenfalls in dieser Frage gespalten. Zum einen sehnen sie ein Ende der Unterdrückung ihrer syrischen "Brüder" herbei. Zum anderen befürchten sie, dass es den syrischen Kurden unter sunnitischer Herrschaft noch schlechter gehen wird, als unter dem schiitischen Alawiten Assad.

Einzig die sunnitischen Araber Iraks sehen in einem Sturz Assads eine Chance, ihre Macht in der Region zu vergrößern. Gleichwohl sehen aber auch sie die Gefahr, dass dann auf den Irak einiges zukommt. Nicht nur werden die über eine Million irakischen Flüchtlinge, die Syrien während des Terrors großzügig aufgenommen hat, ins Zweistromland zurückkehren. Es werden auch jede Menge Syrer im Irak Zuflucht suchen.

Birgit Svensson

© Qantara.de 2012

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de