Demokratischer Übergang im Sudan eingeleitet

In der Republik Sudan nimmt ein demokratischer Aufbruch nach einem halben Jahr der Proteste gegen das von Langzeitdiktator Baschir 1989 errichtete Militärregime konkretere Gestalt an.

Mitte Mai haben sich der nach dem Sturz von Umar al-Baschir (75) am 11. April weiterregierende Offiziersrat und die Protestbewegung "Allianz für Freiheit und Wende" (ALC) auf eine Teilung der Macht in Khartum geeinigt: Nach langen, schwierigen Verhandlungen konnten die Wortführer der Volkserhebung dem seit seinem Putsch gegen Baschir dominierenden Militärrat die Mitbeteiligung ziviler Politiker und Gewerkschafter an einem Regierungsgremium des Übergangs zu voller Demokratie abringen.

Nachdem beide Seiten lange auf ihrer Dominanz in einem "Souveränen Rat" bestanden hatten, kam es unter dem Druck anhaltender Massendemonstrationen in dem nordostafrikanischen Land zur Vereinbarung eines "Gleichgewichts" von Offizieren und Zivilisten in der neuen Führung. Dieses Gleichgewicht soll dann auch in einer regelrechten Übergangsregierung und einer verfassunggebenden "Legislativversammlung" herrschen. 

Die Einigung erfolgte auch angesichts eines neuerlichen Umsturzversuchs Baschir-treuer Einheiten am 14. Mai. Bei Feuergefechten kamen sowohl Demonstranten als auch Soldaten ums Leben. Ein Sprecher der demokratisierungswilligen Offiziere machte Angehörige der Spezialeinheit "Schnelle Eingreiftruppen" verantwortlich. Diese waren im Bürgerkrieg in der Westprovinz Darfur als paramilitärische Miliz unter dem Namen "Dschandschawid" (Berittene Teufel) für ihre Grausamkeit berüchtigt.

Nach der Verlegung dieser Einheiten in die Hauptstadt und ihrer Eingliederung in die regulären Streitkräfte spielten die Kommandanten der "Schnellen Eingreiftruppe" im Militärrat vor und nach der Entmachtung Baschirs eine Schlüsselrolle. Sie wurden dann aus diesem eliminiert. Doch blieben ihre Männer in den Straßen Khartums präsent. Infolge der von ihnen nun ausgelösten Schießereien hat der neue gemischte Souveränitätsrat als erste Maßnahme zur "Volksberuhigung" beschlossen, Expräsident Baschir zusätzlich zu den bisherigen Korruptionsvorwürfen auch als Verantwortlichen für den letzten Gegenputsch und dessen Opfer anzuklagen. 

Ein erstes Entgegenkommen an Sudans Christen, die einen Anteil von etwa 5 Prozent in der 42-Milllionen-Bevölkerung stellen und die in der Demokratiebewegung eine zurückhaltende, aber massive Rolle spielen, hatte es schon Ende April gegeben. Vor Ostern verkündete der Militärrat die Wiedereinführung der Sonntagsruhe an kirchlichen Schulen. Baschir hatte 2017 auch der christlichen Lehrer- und Schülerschaft den islamischen Freitag als einzig unterrichtsfrei aufgezwungen. Viel schlimmer war allerdings die von seinem Regime verfügte Schließung vieler Kirchen. Sie wurden meist abgerissen, Pfarrer und Gemeindeleiter wegen Verletzung der "Bauordnung" verhaftet und zu oft mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Sudans Christen wurden so in die Opposition gedrängt. Sie hielten sich jetzt während des Umsturzes zwar zurück, doch zeigt sich der Militärrat sichtlich bestrebt, die Christen in den demokratischen Wandel im Sudan einzubeziehen.

Der mit "sozialen Belangen" betraute General Schams ed-Din Kabbaschi traf sich daher Ende April mit einer Kirchendelegation, der Katholiken, Methodisten, Presbyterianer, Anglikaner, Vertreter der evangelikalen "Afrikanischen Inlandskirche" sowie äthiopische Orthodoxe angehörten. Sie brachten neben dem Thema der weggenommenen Kirchen noch eine Reihe anderer Anliegen vor. Schließlich hat Baschir den Sudan auf Rang Sechs im Weltverfolgungsindex platziert. 

Sudans Christen machten in den letzten Jahren überaus schwierige Zeiten durch. Abgesehen von den zerstörten Kirchen und ihren verfolgten Gemeinden hatte die islamistische Diktatur von Khartum systematisch das Land christlicher Bauern enteignet und diese sie zu einem Leben als Nomaden gezwungen. Am meisten litten christliche Familien darunter, dass ihnen neugeborene Kinder als "Muslime" registriert und damit früher oder später auch weggenommen wurden, um sie bei Zieheltern "korangemäß" heranwachsen zu lassen. 

General Kabbaschi versprach den Kirchenvertretern Abhilfe. Die könne aber nicht von einem Tag auf den anderen erfolgen. So einigte man sich als Sofortmaßnahme auf die neuerliche Freigabe des unterrichtsfreien Sonntags an den christlichen Schulen. Für die insgesamt 1,1 Millionen Katholiken im Sudan bestehen die Erzdiözese Khartum und das Bistum El Obeid. Neben verschiedenen katholischen Ordensgemeinschaften wie den "Afrikamissionaren" (Weiße Väter) und den Comboni-Schwestern sind auf schulischem Gebiet besonders Pfingstgemeinden aktiv. Die Abkehr vom "Zwangsfreitag" wurde so zum Signal für weitere Entgegenkommen. 

Dem Militärrat geht es mit diesem Zeichen auch darum, dem Ausland seinen guten Willen zur Demokratisierung unter Beweis zu stellen. So hatte die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) Khartum ein bis Ende April befristetes Ultimatum gestellt. Sollte es bis dahin keine handfesten Lockerungsmaßnahmen der andauernden Offiziersherrschaft geben, wollte der allafrikanische Dachverband Sanktionen verhängen. Das hätte sich vor allem auf das Ausbleiben europäischer und US-amerikanischer Hilfe ausgewirkt. Nach dem positiven Wink mit der Sonntagsheiligung und nun erst recht dank der Schaffung des gemischten Souveränen Rates will die OAU bis zum Sommer die Entwicklung im Sudan beobachten und abwarten. (KNA)