Debatte über deutsche Identität und Islam dauert an

Die Debatte über deutsche Identität und die Rolle des Islam hält an. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der die Kontroverse angestoßen hatte, warb am Wochenende für Gelassenheit. "Dass Deutschland geschichtlich und kulturell christlich-jüdisch und nicht islamisch geprägt ist, kann doch niemand ernsthaft bestreiten", sagte er der "Welt am Sonntag".

Das sei für ihn entscheidend, "wenn es um die Frage geht, was zu Deutschland gehört." Es sei für ihn selbstverständlich, "dass die große Zahl der friedliebenden Muslime in Deutschland zu uns gehört". Seehofer ergänzte, er sei nicht bereit zu akzeptieren, dass "Extremisten egal ob rechts oder links" weiter Zulauf erhielten.

Seehofers Worte in der "Bild"-Zeitung (Freitag) hatten zum Aufflammen der Diskussion geführt. Er sagte, dass hier lebende Muslime zwar "selbstverständlich" zu Deutschland gehören. Er ergänzte aber: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt."

Viele Politiker kritisierten die Diskussion als nicht zielführend. Es gab aber auch Zustimmung. Etwa aus Seehofers eigener Partei: "Diese Debatte darf jetzt nicht unterdrückt werden, sondern wir müssen sie endlich einmal zu Ende führen", sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume "Bild am Sonntag".

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), sagte der "Rheinischen Post" (Samstag): "Wir brauchen eine sachliche Debatte darüber, nach welchen Regeln und welchem Werteverständnis wir in Deutschland zusammenleben wollen."

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warf Seehofer Stimmungsmache vor. Die Debatte diene "keinem inhaltlichen Zweck", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Vielmehr gelte es, über Arbeit, Bildung und Regeln für das Zusammenleben zu sprechen. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) mahnte in der "Rheinischen Post" ein Ende "theoretischer Debatten" an.

Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, kritisierte Seehofer scharf. "Damit er gleichzeitig hetzen und von gegenseitigem Verständnis und Rücksichtnahme schwadronieren kann, unterscheidet Seehofer zwischen der Religion selber und ihren Gläubigen", sagte er der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten."

In denselben Zeitungen erklärte Grünen-Politiker Cem Özdemir, eine "kulturalistische Betrachtung, die Menschen nach Religionszugehörigkeit sortiert", passe nicht zu Aufklärung und westlicher Demokratie.

FDP-Chef Christian Lindner nannte die Diskussion überflüssig. "Weder verlangt irgendwer die Übernahme islamischer Sitten, noch ist das Christentum Staatsreligion", sagte er der "Rheinischen Post".

Der Schriftsteller Rüdiger Safranski sieht in einem "politischen Islam" eine Bedrohung. Es gehe nicht "um den einzelnen Muslim, der seinem Glauben folgt", sagte er dem "Spiegel" (Samstag). "Der politische Islam ist unserer Lebensform feindlich gesinnt." Wer ihn nicht bekämpfe, werde ihn "mit Recht fürchten müssen".

Die Mehrheit der Deutschen ist einer Umfrage zufolge Seehofers Meinung. In der am Samstag veröffentlichten repräsentativen Umfrage des Instituts Civey für Focus Online antworteten 54,6 Prozent, der Islam gehöre "auf keinen Fall" zu Deutschland, 19,7 Prozent antworteten "eher nein". (KNA)