Oase des Friedens

Das in der nord-judäischen Wüste gelegene Wadi Qelt ist ein Naturpark, der Palästinensern und Israelis offen steht und somit das Potential hat, zu einem Ort der Begegnung und des Friedens inmitten des Nahostkonflikts zu werden. Ruth Eglash berichtet.

Von Ruth Eglash

Auf den ersten Blick wirkt das Wadi Qelt wie ein ganz gewöhnlicher Picknickplatz: Große im Schatten gelegene Holztische laden beiderseits eines plätschernden Bachs zum Verweilen ein, kleine Grüppchen von Familien und Freunden genießen plaudernd die Atmosphäre der sie umgebenden Natur.

Das in der nord-judäischen Wüste gelegene "Ein Prat", das auf Arabisch den Namen Wadi Qelt trägt, hebt sich in einem Punkt von der Vielzahl israelischer Naturparks ab: Sowohl Israelis als auch Palästinenser haben uneingeschränkten Zutritt, was dieser landschaftlich wie auch historisch bedeutenden Schlucht das Potential verleiht, zu einer Oase des Friedens im rauen Umfeld des Nahostkonflikts zu werden.

Von den jüdischen Vororten nördlich Jerusalems erreicht man die idyllische Landschaft in nur wenigen Minuten Fahrzeit, die Entfernung zu der palästinensischen Stadt Ramallah ist nicht viel weiter.

Ausbruch aus dem Alltag

Diejenigen, die jedes Wochenende zu dem Park hinabsteigen, scheinen bewusst die sie begleitenden Jahrzehnte von Besatzung, Gewalt und Misstrauens am Eingang der Schlucht zurückzulassen, sodass Israelis und Palästinenser sich ohne Gewalttätigkeiten, Anschuldigungen und Vorwürfe begegnen können.

Es scheint kaum einen Unterschied zwischen Juden, Muslimen und Christen zu geben, wie sie alle an Tischen oder auf Decken sitzen, lokale Köstlichkeiten wie Hummus, Pitabrot und Kebab verspeisen und sich dabei angeregt unterhalten.

Dennoch hängt über dem Geruch von Gegrilltem und Wasserpfeifen eine unverkennbare Spannung. Es scheint eine ungeschriebene Übereinkunft zwischen Israelis und Palästinensern zu geben, sich gegenseitig wie Luft zu behandeln. Die fehlende Interaktion darf nicht als simple Höflichkeitsbezeugung zwischen Fremden missverstanden werden, doch bedeutet sie dennoch einen Fortschritt im Vergleich zu den sonst weit weniger freundlichen Begegnungen zwischen den beiden Gruppen.

Die friedlich Seite an Seite in den natürlichen Wasserbecken planschenden israelischen und palästinensischen Kinder lassen jedoch einen Hoffnungsschimmer aufkommen. Vielleicht, so hat man den Eindruck, ist es doch möglich, die wachsende Barriere zwischen den beiden Völkern niederzureißen.

Das Wadi Qelt; Foto: wikipedia
Eine Oase für Dialog und Verständigung: In der gemeinsamen Wertschätzung der Schönheit der Natur haben Palästinenser und Israelis eine gemeinsame Basis gefunden, auf der sie Frieden schließen können, so Eglash.

​​"Sind wir wirklich so verschieden?"

Eine der Hauptattraktionen des Parks ist ein besonders großes Wasserbecken, das sich auf halbem Weg zum Grund der Schlucht befindet. Dieses Becken ist eine wirkliche Begegnungsstätte, denn sowohl Israelis als auch Palästinenser verlassen dort den sicheren Radius ihrer Picknickdecken um sich nebeneinander am Rand des Wassers niederzulassen.

Unter Wasserspritzern und Freudengeschrei beäugen sich die beiden Gruppen gegenseitig, während sie versuchen herauszufinden, ob sich hinter den sogenannten Feinden nicht doch einfach menschliche Wesen verbergen. Sind wir wirklich so verschieden?, scheinen sie zu fragen und im Idyll dieses sonnenbeschienenen Augenblicks verliert der vermeintliche Unterschied an Bedeutung. Ein verstohlener Blick wird zu einem schüchternen Lächeln, einer freundlichen Geste.

Sie alle scheinen in diesem Tal nicht nur Zuflucht vor der sengenden Hitze zu suchen, sondern auch vor dem Wahnsinn des andauernden Konflikts, der sie wieder einholt, wenn sie wieder in ihr alltägliches Leben zurückkehren.

Eine Basis für den Frieden

Für einen Moment scheint dieser Park der ideale Ort zu sein, um ein Gipfeltreffen für Friedensverhandlungen abzuhalten. Der Gedanke an unsere respektablen Führer, die mit den Füßen im Wasser baumelnd all die komplizierten Punkte des Konflikts verhandeln, wirkt zumindest einleuchtend.

Vielleicht würde auch das eiskalte Wasser auf ihrer brennenden Haut sie zu der Erkenntnis führen, dass dieses umkämpfte Land schon sehr viel länger existiert als die Menschen, die darum streiten und vielleicht würde diese Erkenntnis ausreichen, um sie davon zu überzeugen, dass Gewalt, Kämpfe, Unterdrückung und Besatzung nicht der richtige Weg sind, dieses Land für zukünftige Generationen zu erhalten.

Zurück in der Realität scheint der Gedanke, Politiker könnten ihre Anzüge und Krawatten tatsächlich gegen Schwimmausrüstungen austauschen weniger wahrscheinlich zu sein, als ihre Zusammenkunft am Verhandlungstisch.

Doch beweist das Idyll von Ein Prat (beziehungsweise Wadi Qelt), dass die Möglichkeit der friedlichen Begegnung zwischen Israelis und Palästinenser im Alltag besteht. In der gemeinsamen Wertschätzung der Schönheit der Natur haben sie eine Möglichkeit der Verständigung gefunden, eine gemeinsame Basis, auf der sie Frieden schließen können.

Ruth Eglash

© Common Ground News Service 2012

Ruth Eglash arbeitet seit vielen Jahren für die Jerusalem Post, die führende englischsprachige Tageszeitung Israels, sowie für diverse andere internationale Zeitungen. Sie ist Vorstandsmitglied der International Association of Religion Journalists.

Aus dem Englischen von Laura Overmeyer

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de