Das Kreuz als Affront: wie ein deutscher Mönch Jerusalem erlebt

Pater Nikodemus ist ein deutscher Mönch in Jerusalem. Er erlebt Anfeindungen von national-religiösen Juden - Ausdruck eines manchmal schwierigen Klimas für Christen im Heiligen Land. Von Stefanie Järkel

Es ist ein trockenes Geräusch, wie ein Ploppen. «Pöh.» Der Junge mit Kippa, Brille und weißem Hemd spuckt auf die Steinfließen in der Jerusalemer Altstadt hinter Pater Nikodemus Schnabel. Der Benediktinermönch in seinem langen, schwarzen Gewand dreht sich um. Der Junge auch, schaut, kickt gegen eine Getränkedose am Boden und geht weg.

«Das gibt es täglich», sagt der rundliche Mann mit den kurzen braunen Haaren. «Das ist wie ein Grundrauschen.» Manche spuckten ihn sogar an, manchmal würden auch Vater und Sohn zusammen vor oder hinter ihm Ausspucken. «Da ist so viel Gift drin. Das ist ja Erziehung zum Hass.»

Seit 13 Jahren lebt der Mann, der nach seiner Geburt in Stuttgart Claudius Schnabel hieß, in dem Kloster auf dem Zionsberg am Rande der Jerusalemer Altstadt. Seit Sommer leitet der 37-Jährige die Dormitio-Abtei. Doch schon länger hat er verstärkt mit «Christenhass» zu tun, wie er es nennt.

«Es gibt halt radikale Splittergruppierungen», sagt der promovierte Theologe. «Das ist kein Massenphänomen.» Es gehe vor allem um junge Menschen innerhalb des national-religiösen Judentums. Bei Demonstrationen heiße es dann «Israel den Juden» oder «Nicht-Juden raus».

Immer wieder findet einer der acht Mönche hebräische Schmierereien an der Klostermauer - Sprüche, wie «Christen zur Hölle». 2014 gab es einen Brandanschlag auf das Kloster, 2015 eines auf das Bruderkloster in Tabgha am See Genezareth. Zwei junge Männer wurden später für die Tat angeklagt.

Doch Schnabel betont, die Mönche hätten nach dem Anschlag in Tabgha auch viel Unterstützung von Rabbinern erhalten. Der Jerusalemer Rabbi Alon Goschen-Gottstein startete sogar eine Crowdfunding-Kampagne für den Wiederaufbau. «Wir müssen über die Perspektive hinauskommen, dass nur eine Religion gültig ist», sagt Goschen-Gottstein. Die Religionen müssten in Frieden zusammenleben - und gerade in der heutigen Zeit zusammenarbeiten.

Historiker Amnon Ramon vom Jerusalemer Institut für Politikforschung sagt, dass die radikalen Kräfte nicht sehen wollten, dass sich das Verhältnis zwischen den Kirchen und dem Judentum geändert habe. «Die schauen auf die christlich-jüdische Beziehung, als wären wir immer noch im Mittelalter», sagt Ramon. Als würden die Juden immer noch von den Christen verfolgt. «Die sehen das Christentum als Feind an, manchmal sogar noch stärker als den Islam.»

Auch der Propst der evangelischen Erlöserkirche in der Altstadt, Wolfgang Schmidt, berichtet von unangenehmen Situationen, wenn er mit Lutherrock und Kreuz durch die Gassen geht. «Die Reaktion ist insbesondere auf das Kreuz, das ist schon klar. Für die Ultra-Orthodoxen gelten die Christen dann auch als Götzendiener.»

Immerhin verehrten Christen mit Gott auch Jesus - für manche Juden eine Missachtung des Gebotes «Du sollst keine Götter neben mir haben».

Trotz der Spannungen und Angriffe will Pater Nikodemus nicht an einem anderen Ort leben. «Das ist die innig geliebte Diva, diese komplizierte Stadt», sagt der Mann, der gerne und laut lacht, über Jerusalem. In seinem Buch «Leben im Niemandsland» vergleicht er seine Beziehung zu Jerusalem mit der Liebe zu einer Frau. Jerusalem sei eben anspruchsvoll - aber dadurch umso spannender.

Schnabel wuchs vor allem in Hessen auf und zog dabei mit seiner Mutter und seinem Ziehvater, einem Künstler, jahrelang von Ort zu Ort. Akzeptanz erlebte er stark in der katholischen Kirche, beim örtlichen Pfarrer, bei Ordensschwestern, «die ein riesenoffenes Herz» hatten.

Er wurde Messdiener und später Schulsprecher, Mitglied der Jungen Union, gründete eine Schülerzeitung mit, spielte Cello im Schulorchester, hatte seine erste Freundin. Er habe sein Leben nach dem Prinzip gelebt: «Jüngster, Bester, Schnellster.»

Im Theologiestudium reiste Schnabel das erste Mal nach Jerusalem, kam zur Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg. «Da kam hier die Wende.» Eine schwere Rheumaerkrankung bremste den jungen Mann aus. Er musste ins Krankenhaus, erblindete zeitweise, spürte, wie zerbrechlich das Leben ist. Heute halten Medikamente die Krankheit in Schach.

Nach dem Abschluss seines Studiums sagte er sich: «Ich will es wenigstens ausprobieren» - und ging mit 24 Jahren ins Kloster nach Jerusalem. Er promovierte in Wien, beschäftigt sich mit den Ostkirchen, spricht Arabisch. Mit den Arabern sei es völlig entspannt, sagt er. Die Vize-Rektorin des Österreichischen Hospizes in der Altstadt, Schwester Bernadette Schwarz, nennt Schnabel einen «Wiffzack» - einen sehr intelligenten Menschen.

Jahrelang dachte er darüber nach, wie es wäre, etwas anderes zu sein: Wissenschaftler, Politiker, Familienvater. «Man romantisiert immer, was man nicht hat», sagt er. «Nicht in einer Partnerschaft zu leben, ist eine klaffende Wunde.» Doch er blieb. 2013 ließ er sich zum Priester weihen.

Denn als Mönch ist Pater Nikodemus vor allem eines: ein Gottsucher. «Es macht das Leben intensiv», sagt er über seinen Glauben - «so reich.» (dpa)