Friedenszeichen in einer gespaltenen Nation

 Die einzige Musikschule des Irak wurde 2003 zerstört. Wer ein Instrument lernen will, muss das Internet nutzen oder Lehrer finden. Trotz dieser Schwierigkeiten gründen Jugendliche hier ein Orchester. Als Friedenszeichen. Gudrun Stegen berichtet.

Von Gudrun Stegen



Zuhal Sultan hatte eine Idee: die 17 Jahre alte Pianistin aus dem Irak wollte mit möglichst vielen jungen Menschen aus allen Teilen ihres Landes ein Sinfonieorchester gründen. Das war 2008.

Drei Jahre später steht auf einer Einladung: "Vom Irak soll eine neue Botschaft ausgehen, die für Frieden und Einheit steht. Das ist das Ziel aller, die sich dem Projekt verschrieben haben". Es ist die Einladung des Fördervereins Nationales Irakisches Jugendorchester und des schottischen Dirigenten Paul MacAlindin. Gemeinsam stellten sie in der Kölner Oper ein einmaliges Orchesterprojekt vor: 53 junge Musiker aus allen Teilen des Irak formieren sich zu einem Sinfonieorchester. Ausgewählt wurden sie in einem Casting per Internet.

Für die Einheit des Irak

Die Gründerin des Orchesters Zuhal Sultan; Foto: NYOI
Engagement der Jugend für Frieden im Irak: Zuhal Sultan, die Gründerin des "National Youth Orchestra of Iraq" ist erst 17 Jahre alt.

​​"Dieses Orchester versteht sich als ein Friedensorchester. Alle, die hier mitspielen, sagen, wir wollen Frieden und Einheit im Irak. 22 Kurden spielen zusammen mit 23 arabischen Musikern. Die Gruppe wächst durch die Musik zusammen", erklärt der Vorsitzende des Fördervereins Karl-Walter Keppler. Durch das gemeinsame Musizieren soll ein Zeichen für Einheit und Frieden in einer tief gespaltenen Nation gesetzt werden. Mit von der Partie sind drei Dolmetscher. Sie sprechen kurdisch, arabisch und englisch - eine notwendige Unterstützung für die Musiker, die aus allen Teilen des Irak kommen.

Mit großem Enthusiasmus versuchen die jungen Musiker, mit der Realität im Irak fertig zu werden. Die einzige Musikschule in Bagdad wurde bei Anschlägen im Jahr 2003 zerstört und konnte erst allmählich wieder aufgebaut werden. Kaum jemand hat professionellen Musikunterricht, oft hilft nur das Musikstudium via Internet. Da ist Eigeninitiative gefragt.

Die meisten Musiker arbeiten autodidaktisch, üben auf ihren Instrumenten, lesen nach und nehmen Unterricht über "Youtube". Während der Probenphasen mit dem Orchester haben sie dann die Gelegenheit, mit professionellen Lehren aus Großbritannien, Deutschland und den USA zu arbeiten. Das Programm ist dicht gedrängt. Auf zwei bis drei Stunden Einzelunterricht am Tag folgen bis zu sechs Stunden Konzertproben. Und dann ist der Tag noch nicht zu Ende. "Wenn sie dann im Hotel sind, hört man sie die ganze Nacht noch üben. Es ist eine unheimliche Begeisterung vorhanden", erzählt Karl-Walter Keppler.

Unter schottischer Leitung

Der Dirigent Paul MacAlindin; Foto: NYOI
Der Dirigent Paul MacAlindin hat dem Orchester sein eigenes Profil gegeben. Die jungen Musiker üben sowohl klassische westliche Werke als auch Stücke aus ihrer Heimat ein.

​​Die musikalische Betreuung des Orchesters hat der schottische Dirigent Paul MacAlindin übernommen. Er hatte im "British Council" von der Gründung des Orchesters erfahren und sich sofort bereit erklärt, mit den jungen Musikern zusammen zu arbeiten. Im Jahr 2009 fand zum ersten Mal eine gemeinsame Sommerakademie in der kurdischen Stadt Sulaimaniya statt. Zusammen mit zwölf Lehrern aus den USA und Europa reiste MacAlindin in den Irak. Hier ging es vor allem darum, dem Orchester ein eigenes Profil zu geben. Die ersten Konzerte im Irak mit klassischen westlichen Werken und Stücken aus der arabischen Welt haben dort große Resonanz gefunden und wurden von irakischen Fernsehstationen übertragen.

2010 wurde dann der private Förderverein in Köln gegründet. Paul MacAlindin, der hier lebt, begeisterte Freunde und Bekannte für sein Projekt. Sie kümmern sich jetzt um die Planung und Organisation von Proben und Konzertauftritten. Ganz oben auf der Wunschliste stehen neben Konzerten im Irak vor allem Reisen ins Ausland. Die Musiker seien stolz auf ihre eigene Kultur und wollten neben westlicher Konzertmusik auch Stücke aus ihrer Heimat vorstellen, erzählt Paul MacAlindin. Und sie möchten zeigen, dass auch die Menschen im Irak zu einem friedlichen Miteinander bereit seien.

Gudrun Stegen

© Deutsche Welle 2011

Redaktion: Marlis Schaum/Deutsche Welle, Arian Fariborz/Qantara.de