Comeback in Arabien: Christian Wulff kämpft sich nach vorne

Schritt für Schritt lässt Christian Wulff seine Vergangenheit hinter sich. Und knüpft dabei doch an seine Zeit als Bundespräsident an. Was hat der Mann noch vor? Diese Frage stellen sich Freunde und Gegner.

Wer so tief gestürzt ist, für den darf es irgendwann auch wieder nach oben gehen. Für Christian Wulff ist dies allerdings ein mühsamer und langer Weg. Seit seinem Freispruch von den Korruptionsvorwürfen, die ihn am 17. Februar 2012 zum Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten zwangen, arbeitet er an seinem Comeback. An diesem Wochenende ist er dabei ein großes Stück vorangekommen. Vor knapp zwei Wochen erst hatte Wulff bei der Berliner Mahnwache für die Terroropfer von Paris mit seinem Auftritt in der ersten Reihe

Erstaunen ausgelöst. Nun vertritt der Bundespräsident a.D. Deutschland bei der Trauerfeier für den saudischen König Abdullah in Riad. Das darf als offizielle Rehabilitierung gewertet werden. Dabei kam Wulff zugute, dass andere Kandidaten am Samstag verhindert waren: Bundespräsident Joachim Gauck feierte seinen 75. Geburtstag, Kanzlerin Angela Merkel war schwer erkältet. Und eine Teilnahme von Außenminister Frank-Walter Steinmeier an der Zeremonie in Riad wäre von den Saudis protokollarisch nicht als angemessen bewertet worden.

Da kommt ein ehemaliger Bundespräsident schon besser, ganz nach amerikanischem Vorbild, wo Ex-Präsidenten den Amtsinhaber auch im Ausland vertreten. Wulff dürfte nicht lange gezögert haben, als am Freitag die Anfrage der Kanzlerin kam. Seltsamer Zufall, dass eine Reise in die arabische Welt nun seinen Wiederaufstieg ebenso markiert wie seinen tiefen Fall. «Bin grad auf dem Weg zum Emir» - so beginnt die folgenschwere Nachricht, die er am 12. Dezember 2011 aus Kuwait auf die Mailbox von «Bild»-Chefredakteur Kai Diekmann sprach. Sie markierte den Beginn der Affäre, die zu Wulffs Rücktritt führte. Und Kuwait liegt nur eine Flugstunde von Riad entfernt, der Hauptstadt Saudi-Arabiens, wohin Wulff am Samstag im Auftrag der Bundesregierung flog.

Die Reise zu den Saudis ist dabei eine durchaus konsequente Fortsetzung der Arbeit Wulffs - vor und nach seinem Rücktritt. Da gab es viel mehr als den berühmten Satz «Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland», den sich Merkel erst vor kurzem wieder zu eigen gemacht hat. Gute Beziehungen in die arabische Welt und die Türkei brachte Wulff schon aus seiner Amtszeit als niedersächsischer Regierungschef mit.

Hochachtung vor allem der türkischen Gemeinde in Deutschland erwarb er sich aber vor allem durch seine Reaktion auf das Bekanntwerden des NSU-Skandals. Als Merkel und die Bundesregierung noch nach richtigen Worten der Entschuldigung angesichts der massiven Ermittlungsfehler suchten, lud Wulff die Angehörigen der Ermordeten im November 2011 zu einem Treffen ins Schloss Bellevue.

Seine Idee war auch die große Gedenkveranstaltung für die Opfer der Neonazi-Morde im Berliner Konzerthaus. Als die bewegende Trauerfeier am 23. Februar stattfand, war er allerdings nicht mehr im Amt. Mit dem Anruf beim «Bild»-Chefredakteur hatte Wulff die Berichterstattung über seinen Hauskredit und andere Gefälligkeiten reicher Freunde verhindern wollen, aber eher das Gegenteil erreicht. Gut zwei Monate später musste er zurücktreten, nachdem die Staatsanwaltschaft Hannover ein Ermittlungsverfahren begonnen und die Aufhebung seiner Immunität beantragt hatte.

Es folgte der berufliche wie private Absturz, immer wieder neue Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und die Trennung von seiner Frau Bettina. Bis das Gericht Wulff vor knapp einem Jahr freisprach, war an eine Rückkehr in die Öffentlichkeit nicht zu denken. Seitdem aber tut sich etwas: Präsidentschaft des euro-arabischen Vereins EMA, eine Rede vor der Adenauer-Stiftung, Toleranzpreis der Akademie Tutzing.

Mit der Vergangenheit im Reinen ist Wulff aber noch längst nicht, denn er sieht sich nach wie vor als Opfer der Justiz und der Medien. Bei der Vorstellung seines Buches «Ganz oben Ganz unten» sagte er im Juni 2014: «Hätte die Staatsanwaltschaft nicht die Aufhebung der Immunität beantragt, wäre ich noch im Amt». Für wenige Stunden, an diesem Samstag in Riad, durfte er sich zumindest so fühlen. Thomas Lanig (dpa)