CHP-Abgeordneter Muharrem Ince fordert Erdogan heraus

Die türkische Oppositionspartei CHP schickt den für seine scharfe Rhetorik bekannten Abgeordneten Muharrem Ince ins Rennen gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan. Der Abgeordnete aus Yalova tritt bei der Präsidentenwahl am 24. Juni als Kandidat für die traditionsreiche Republikanische Volkspartei (CHP) an, wie ihr Vorsitzender Kemal Kilicdaroglu jüngst verkündete. Die Oppositionskandidatin Meral Aksener begann derweil, 100.000 Unterschriften für ihre Kandidatur zu sammeln.

"Mit der Erlaubnis Gottes und dem Willen der Nation werde ich am 24. Juni zum Präsidenten gewählt", sagte Ince vor tausenden jubelnden Anhängern der links-nationalistischen Oppositionspartei in einer Sportarena in Ankara. Ince, der am Freitag seinen 54. Geburtstag feierte, versprach, ein "unparteiischer Präsident" für alle 80 Millionen Bürger der Türkei zu sein.

Der frühere CHP-Fraktionsvize gilt als guter Redner und scharfer Kritiker Erdogans. Für den Fall seiner Wahl kündigte er an, den riesigen Präsidentenpalast zu räumen, den sich Erdogan in Ankara gebaut hat, und ihn als "Haus der Wissenschaft" der Jugend zu geben. "Wir werden sie alle wegräumen", kündigte er an und warf Erdogan vor, nur "zu poltern und zu schimpfen".

Der frühere Physiklehrer und Schuldirektor Ince hatte 2014 und erneut im Februar Kilicdaroglu den Parteivorsitz streitig gemacht, aber keine Mehrheit erhalten. Trotz ihrer langjährigen Rivalität ließ Kilicdaroglu ihm nun den Vortritt bei der Präsidentschaftskandidatur, da aus seiner Sicht der Präsident nicht zugleich Parteichef sein sollte, sondern über den Parteien stehen.

Auch gilt Ince als der bessere Redner, und die CHP hofft, dass er im Wahlkampf Erdogan Paroli bieten kann. "Muharrem Ince ist der beste Kandidat, den die CHP wählen konnte, um die Basis zu mobilisieren", sagte der Politikexperte Sinan Ulgen. Für Ince sei nun die erste Herausforderung, in der ersten Runde vor Aksener von der rechts-nationalistischen IYI-Partei zu landen.

Die CHP hatte lange beraten, wen sie ins Rennen gegen Erdogan schicken würde. Kilicdaroglu hatte sich dafür stark gemacht, einen gemeinsamen Kandidaten der Opposition aufzustellen, doch hatte Aksener auf ihrer eigenen Kandidatur beharrt. Überlegungen, den früheren Präsidenten Abdullah Gül zu nominieren, waren zudem beim linken CHP-Flügel auf Widerstand gestoßen.

Gül setzte den Spekulationen schließlich ein Ende und erklärte, nicht anzutreten. Laut Presseberichten nahm Gül nicht nur wegen der mangelnden Unterstützung Abstand von einer Kandidatur, sondern auch weil Erdogan ihn unter Druck setzte. So sollen Generalstabschef Hulusi Akar und Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin im Helikopter in Güls Garten in Istanbul gelandet sein.

Gül bestätigte nach dem Freitagsgebet in Istanbul im Fernsehen, dass Akar ihn besucht habe, versicherte aber, dass es "keine Drohungen oder Respektlosigkeit" gegeben habe. Kilicdaroglu hatte von einem Versuch der "militärischen Vormundschaft" gesprochen und Akar vorgeworfen, er habe im Auftrag Erdogans "die Demokratie beenden" wollen.

Ministerpräsident Binali Yildirim registrierte derweil Erdogans Kandidatur bei der Wahlbehörde zusammen mit dessen ultrarechten Verbündeten Devlet Bahceli, dessen MHP für die Wahl ein Bündnis mit der regierenden AKP eingegangen ist. Ince wünschte Yildirim "viel Glück" für seine Kandidatur und sagte, am 24. Juni werde das Volk entscheiden.

Aksener startete in Istanbul eine Kampagne, um die nötigen 100.000 Unterschriften zu sammeln, um als Präsidentschaftskandidatin antreten zu können. Am Nachmittag wollte auch die prokurdische HDP in Istanbul und Diyarbakir den Startschuss für die Kampagne ihres Ex-Vorsitzenden Selahattin Demirtas geben, der für sie antritt, obwohl er in Haft sitzt.

Mit den vorgezogenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen tritt das neue Präsidialsystem in Kraft, das bei einem umstrittenen Referendum im April 2017 mit knapper Mehrheit gebilligt worden war. (AFP)