Cem Özdemir: «Ankara sollte Imame in Deutschland nicht bestimmen»

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir hat den Einfluss der Türkei auf die islamische Theologie in Deutschland kritisiert. «Es ist nicht akzeptabel, dass der türkische Staatspräsident darüber entscheidet, welche Interpretation des Islam auch hier in Deutschland die legitime ist», sagte Özdemir der Tageszeitung «taz» (Wochenende).

Die meisten organisierten Muslime in Deutschland gehören zu Gemeinden des Dachverbandes Ditib. Ditib-Vorsitzender ist immer ein türkischer Botschaftsrat - er wird dementsprechend vom Staat bestimmt. De facto sei oberster Theologe also der türkische Präsident, sagt Özdemir. «Ankara muss die Muslime freigeben. Wir müssen darauf bestehen.»

Auch bei der Prävention von Radikalisierungen spiele es eine Rolle, ob Theologen in der Lage sein, hierzulande Debatten zu führen. «Oft sprechen Importimame ja noch nicht mal vernünftig Deutsch und bringen je nach aktuellem Herrscher ihr Islamverständnis aus Ankara, Kairo oder sonst wo mit.» Özdemir äußerte sich auch zum Kampf gegen den Islamismus.

Man müsse die theologische Dimension des Streits aufnehmen, sonst sei er nicht zu gewinnen. «Es reicht mir nicht, wenn Muslime sagen, der Terror von Dschihadisten habe nichts mit dem Islam zu tun», so der Grünen-Politiker.

Özdemir sprach sich auch erneut gegen eine Anerkennung der vier Islamverbände im Koordinationsrat der Muslime als Religionsgemeinschaften zum jetzigen Zeitpunkt aus: «Bei denen stehen ganz eindeutig Herkunftsland, Sprache oder Politik im Zentrum, nicht aber die Religion, wie es das Recht in Deutschland vorsieht.» Es handele sich also eher um migrantische Organisationen als um Glaubensgemeinschaften.

Hinzu komme, so Özdemir weiter, dass nur etwa ein Viertel der rund vier Millionen Muslime in Deutschland sich von einem der vier Islamverbände vertreten fühle. «Kurzum, die Verbände müssen sich weiterentwickeln», betonte der Grünen-Parteichef. Die Islamverbände sind bislang nicht als Religionsgemeinschaften anerkannt und kämpfen seit Jahren um die Gleichstellung mit christlichen Kirchen und dem Zentralrat der Juden. (KNA/epd)