Bundesregierung will Rassismus bei der Polizei untersuchen lassen

Wie viel Rassismus gibt es in der deutschen Polizei? In manchen Polizeibehörden hat man sich dazu schon umgeschaut, in anderen noch nicht. Eine Studie soll Licht ins Dunkel bringen. Die Grünen glauben, dass Betroffene eine externe Beschwerdestelle brauchen.

Um sich einen Überblick zu verschaffen, plant die Bundesregierung eine Studie zum sogenannten racial profiling bei der Polizei. Das teilten Sprecher des Innen- und des Justizministeriums am Donnerstag in Berlin mit. Zuvor hatte die „Welt“ berichtet.

Von racial profiling bei der Polizei spricht man, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Haarfarbe oder anderer äußerer Merkmale, aber ohne einen konkreten Anlass, kontrolliert werden. „Aus Sicht des Bundesjustizministeriums ist eine Studie zu racial profiling - bezogen auf den Bund und die Länder - ein wichtiger Schritt, um fundierte Erkenntnisse über das Phänomen zu erlangen und darauf aufbauend über mögliche Gegenmaßnahmen zu diskutieren“, erklärte ein Sprecher. Eine solche Studie habe auch die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz in ihrem aktuellen Bericht über Deutschland empfohlen.

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Die Grünen hoffen derweil auf Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion bei ihrem Vorstoß für einen unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes. „Nun ist die SPD gefragt, das umzusetzen, was von ihrer Vorsitzenden öffentlich gefordert wurde“, sagte die grüne Innenpolitikerin Irene Mihalic der Deutschen Presse-Agentur. „Wir setzen darauf, dass die SPD diesmal nicht mitmacht, wenn die Behandlung unseres Gesetzentwurfes im Ausschuss verschoben werden soll“, fügte sie hinzu. Der Innenausschuss des Bundestages trifft sich regulär am kommenden Mittwoch.

Die Grünen plädieren für die Einrichtung eines Polizeibeauftragten, an den sich Bürger wenden können, wenn ihnen Fehlverhalten oder strukturelle Missstände bei der Polizei aufgefallen sind. Bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag hatten vor allem Redner der Union erklärt, dass dies im Prinzip ein Misstrauensvotum gegen die Polizei sei. Die SPD verwies auf Anlaufstellen in den Ländern.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte Anfang der Woche mit Blick auf die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA gesagt: „Auch in Deutschland gibt es latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte.“ Um Fälle ungerechtfertigter Polizeigewalt aufzuarbeiten, forderte sie eine unabhängige Beschwerdestelle. Mit ihrer Einschätzung stieß Esken unter anderem bei SPD-Innenministern auf Kritik.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Polizisten pauschal unter Rassismus-Verdacht zu stellen, finde ich nicht in Ordnung.“ Er verwies auf umfangreiche Überprüfungen der Bewerber bei der Polizei.

Bevor junge Leute zur Polizei kämen, würden sie vom Verfassungsschutz gecheckt und bei Beginn der Ausbildung noch einmal überprüft. Während der Ausbildung gebe es Ethikunterricht. „Und wir machen in der Fortbildung eine ganze Menge. Das ist überhaupt kein Vergleich mit den USA.“ Trotzdem könne man auch mit Blick auf Rassismus in der Polizei „niemals nie sagen“, betonte der CDU-Politiker. Deshalb gebe es in jeder Polizeibehörde in NRW einen Extremismusbeauftragten.

Hintergrund der Berufung der Extremismusbeauftragten war der Fall eines Verwaltungsbeamten des Polizeipräsidiums Hamm, der wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer rechtsterroristischen Vereinigung in Haft genommen worden war. Im Zuge der Ermittlungen hatte sich die Polizei von zwei weiteren Mitarbeitern getrennt.

Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften erklärte, er unterstütze die Forderungen betroffener Menschen, die Darstellungen von rassistischen Strukturen in der Institution Polizei wahr- und ernstzunehmen. Ratsuchende und Angehörige berichteten immer wieder von Erlebnissen mit racial profiling. Sie erlebten auch, dass rassistische Vorfälle bagatellisiert würden.

Die Diversity-Trainerin Anna Cardinal, die sich in dem Verband engagiert, sagte der dpa: „Eine wichtige Rolle spielt sicher auch die Tatsache, dass die Polizei von einem Großteil betroffener Personen nicht als Ansprechpartnerin gesehen wird und deshalb davon abgesehen wird, diese zu rufen - aus Angst, selbst kriminalisiert zu werden und Ziel rassistisch motivierter Diskriminierung durch die Polizei zu werden.“ (dpa)