Britische Muslimas beschweren sich über Bevormundung

Mehr als 100 muslimische Frauen haben sich über eine bevormundende Behandlung durch britische Behörden beklagt. Zwei derzeit stattfindende Anhörungen zur Praxis der sogenannten Scharia-Gerichte zielten eher auf deren Abschaffung denn auf ihre Reform ab, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Offenen Brief. Befragte Frauen drohten so als "politische Fußbälle" missbraucht zu werden.

In Großbritannien gibt es inzwischen ein Netz von Scharia-Gerichten, die Streitigkeiten zwischen Muslimen nach dem islamischen Recht klären. Einige sind als Justizorgane anerkannt und können etwa verbindliche Entscheidungen in unternehmensrechtlichen Fragen, Familienzwisten, bei häuslicher Gewalt oder Erbschaftsstreitigkeiten fällen. Andere Religionsgerichte bieten eher Mediation an.

Premierministerin Theresa May hatte im Mai, damals noch als Innenministerin, ein unabhängiges Gremium eingesetzt. Es soll prüfen, ob das islamische Religionsrecht in England und Wales zur Diskriminierung von Frauen und im Widerspruch zu britischen Gesetzen angewandt worden ist. Einige Scharia-Gerichte hätten offenbar versucht, Zwangsheiraten zu legitimieren, sagte May damals. Auch mögliche Nachteile für muslimische Frauen bei Scheidungen würden in den Blick genommen. Das Gremium sollte an diesem Dienstag mit seiner Anhörung von Scharia-Richtern beginnen.

Die Vorsitzende des nationalen Netzwerks muslimischer Frauen, Shaista Gohir, kritisierte: "Jeder will Muslimas zuhören, wenn sie ihre schrecklichen Erfahrungen schildern. Aber wenn es an die Lösungen geht, denkt jeder, er wisse am besten, was gut für uns ist." Sie warnte vor einer Abschaffung der Religionsgerichte, die vor allem von antireligiösen und antimuslimischen Kräften betrieben werde. Das Ergebnis davon wären weniger Transparenz, mehr Diskriminierung und ein Ende islamischer Scheidungsverfahren. (KNA)