Braucht Satire Grenzen? - Karikaturen-Streit um Franziska Becker

Franziska Beckers fasst Kopftuch tragende Musliminnen in ihren Cartoons nicht mit Samthandschuhen an. Dafür hat sich die Zeichnerin nun herbe Kritik eingehandelt. In dem Streit geht es um die Kernfrage: Was darf Satire?

Satire hat aus Sicht von «Emma»-Herausgeberin Alice Schwarzer keine Grenzen. «Und sie darf auch keine haben», betonte sie in Köln anlässlich der Kritik an «Emma»-Hauscartoonistin Franziska Becker. Die überspitzte Wiedergabe der Realität sei nötig, um den Menschen die Augen zu öffnen. «Genau das ist die Aufgabe eines Satirikers.» Die deutsch-türkische Bloggerin Sibel Schick hatte  Becker der Diskriminierung Kopftuch tragender Musliminnen bezichtigt, die sie mit Islamistinnen gleichsetze.

Schick betonte, sie wolle Becker nicht als Person diskreditieren, sondern auf deren rassistische Äußerungen aufmerksam machen. «Ich finde es schade, dass sich Alice Schwarzer und Franziska Becker nicht mit der Kritik differenziert auseinandergesetzt haben und sie kategorisch ablehnen.» Ein Feminismus, der eine bestimmte Gruppe von Frauen ins Visier nehme - in diesem Fall Kopftuchträgerinnen -, sei kein Feminismus mehr.

Hintergrund ist die Verleihung der Hedwig-Dohm-Urkunde des Journalistinnenbundes an Becker für ihr Lebenswerk. Die mit der Frauenbewegung bekannt gewordene Künstlerin wird am 10. Juli 70 Jahre alt, und bis vor wenigen Jahren zierten ihre Karikaturen jede «Emma»-Ausgabe. Heute veröffentlicht die gebürtige Mannheimerin nicht mehr ganz so oft.

Ein Dorn im Auge sind Bloggerin Schick Cartoons von Becker, in denen Kopftuch tragende Frauen als Täterinnen auftreten, etwa als Scharia-Polizistin, Kindergärtnerin mit Missionierungseifer oder frauenfeindliche Bankangestellte. Dabei sage das Kopftuch nichts über die politische Einstellung seiner Trägerin aus: «Es gibt in der Türkei Anhängerinnen der islamischen AKP-Regierung ohne Kopftuch sowie Gegnerinnen mit Kopftuch», sagte Schick.

Anders als für Schwarzer hat Satire für Schick Grenzen: «Satire muss Machtstrukturen bloßstellen, darf aber nicht nach unten treten und damit Diskriminierung und Gewalt Vorschub leisten.» Kopftuch tragende Frauen seien in Deutschland bereits Diskriminierung und Übergriffen ausgesetzt. Beckers Darstellungen von einer islamistischen Machtübernahme in Deutschland glichen den Klischees und Verschwörungstheorien, mit denen AfD und Pegida arbeiteten.

Schwarzer betonte, der Comic-Künstlerin «Muslimfeindlichkeit» und «Rassismus» zu unterstellen, sei empörend. In ihren Cartoons zum Islam gehe es ja nicht um den Glauben oder die Herkunft der Menschen, sondern um die politische Radikalisierung und den Missbrauch des Islam, etwa zur Rechtfertigung der Verschleierung der Frauen.

Tabus für Satire darf es nach Überzeugung der Feministin auch bei Mohammed nicht geben. «Es ist traurig - und lächerlich -, dass die islamischen Fundamentalisten fordern, ihr Prophet dürfe nicht Gegenstand von Darstellung und Satire sein.» Selbstverständlich müssten auch die Fanatiker und ihre Gottesbilder verspottet werden dürfen. Das gelte für den Islam wie für das Christentum und die Juden. Alle drei habe Becker schon auf den Arm genommen. (dpa)