Aufruf zur muslimisch-christlichen Freundschaft

Die Wahl des argentinischen Papstes Franziskus zum Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche könnte nach Ansicht des ehemaligen Großmuftis aus Bosnien-Herzegowina Mustafa Ceric die Weichen für einen Neubeginn im muslimisch-christlichen Verhältnis stellen.

Von Mustafa Ceric

Als Überlebender des Genozids, der sich Ende des 20. Jahrhunderts in Bosnien ereignete, bin ich sehr an der Ausrichtung und Botschaft des Vatikans, der für die katholische Kirche spricht, interessiert. Der politische Einfluss Roms mag auf dem Feld der Diplomatie begrenzt sein, doch der spirituelle Einfluss hat eine große Bedeutung für Millionen von Christen weltweit. Dementsprechend hatte der Papst schon immer einen großen Einfluss auf den Weltfrieden und die Weltsicherheit.

Aus dem Handeln seiner beiden Vorgänger kann Papst Franziskus wichtige Lehren ziehen, die ihm im künftigen Umgang mit den Muslimen helfen.

Papst Johannes Paul II. war ein Unterstützer des interreligiösen Dialogs. Seine Beziehungen zu der muslimischen Welt waren respektvoll und vielversprechend. So sprach er sich beispielsweise jeden Sonntag im Petersdom gegen die vierjährige Belagerung Sarajevos aus.

Botschaft gegen Hass und Intoleranz

Die Botschaft Johannes Pauls "Nie wieder Krieg. Nie wieder Hass und Intoleranz" fand bei allen Menschen Gehör. Im April 1997 nannte der damalige bosnische Präsident Alija Izetbegović Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch in Sarajevo "einen der einflussreichsten Menschen des 20. Jahrhunderts".

Papst Franziskus empfängt ausländische Diplomaten im Vatikan; Foto: Reuters
Papst Franziskus will den Dialog mit anderen Religionen verstärken, vor allem mit dem Islam. "Man kann keine wahre Verbindung zu Gott haben, wenn man die anderen ignoriert", sagte der Papst Ende März vor ausländischen Diplomaten im Vatikan.

​​Im Jahr 2005 litt das Verhältnis zwischen Papst Benedikt XVI. und den Muslimen aufgrund seiner unglücklichen Bemerkungen über den Islam und den Propheten Muhammad während seiner Rede an der Universität Regensburg. Seine nachfolgende Entschuldigung beseitigte jedoch diese Spannungen.

Der anschließende Dialog begann mit der sogenannten Initiative "Ein gemeinsames Wort", die von 138 muslimischen Gelehrten und Akademikern eröffnet wurde. Am 13. Oktober 2007 (Tag des Fastenbrechen 1428 A.H.; Anmerk. D. Red.) veröffentlichten diese muslimischen Gelehrten einen offenen Brief mit dem Titel "Ein gemeinsames Wort zwischen Uns und Euch" an alle Christen weltweit, der sie dazu einlud, die Gemeinsamkeiten mit Muslimen zu suchen, auf der Grundlage der Liebe zu Gott und der Nächstenliebe. Beteiligt an dieser Initiative waren Staaten mit überwiegend muslimischen Bevölkerungen.

Dieses Ereignis führte zu der Gründung eines katholisch-muslimischen Forums. Zwei Gipfelkonferenzen wurden seitdem gehalten, wovon der erste im Vatikan im Jahr 2008 stattfand, wo Papst Benedikt XVI. alle Teilnehmer traf. Der zweite fand daraufhin in Jordanien im Jahr 2011 statt. Auch wurden die Beziehungen durch die Pilgerreise von Papst Benedikt XVI. zu der Taufstelle Jesus' in Jordanien und seinem Besuch der König-Hussein-Moschee weiter gefestigt.

Raum für verschiedene Standpunkte

In seinem 2011 veröffentlichten Buch "On Heaven and Earth" äußert sich Papst Franziskus auch zu Fragen des Dialogs: "Der Dialog entsteht aus einer Respekthaltung gegenüber der anderen Person, aus der Überzeugung, dass der Andere etwas Gutes zu sagen hat. Dabei wird vorausgesetzt, dass es Raum für andere Meinungen und verschiedene Standpunkte gibt. Um miteinander in einen Dialog treten zu können ist es notwendig, die Türen zu öffnen und menschliche Herzlichkeit anzubieten."

Papst Franziskus; Foto: Getty Images
Wegbereiter für einen neuen interreligiösen Dialog? Papst Franziskus hatte mehrfach betont, dass ihm ein intensiverer Dialog zwischen den verschiedenen Religionen besonders wichtig sei.

​​Somit hoffe ich, dass Papst Franziskus die positiven Lehren seiner Vorgänger beherzigt, um den Dialog mit den Muslimen weltweit zu stärken: nämlich die Offenheit und den guten Willen gegenüber Muslimen, die Papst Johannes Paul II. bezeugt hatte, aber auch die Bereitschaft, die Papst Benedikt zeigte, indem er den Dialog weiterführte.

Ich hoffe, dass Papst Franziskus das katholisch-muslimische Forum mit neuer Dynamik und Hingabe – im Sinne der Initiative "Ein gemeinsames Wort" – erneuern wird. Mit dieser Arbeit bin ich zuversichtlich, dass meine beiden Enkelkinder ohne Angst vor religiös-motivierter Gewalt in Bosnien leben werden.

Vor dem Hintergrund gefestigter interreligiöser Beziehungen gibt es drei wichtige menschliche Belange, denen Papst Franziskus in seinem Pontifikat besondere Beachtung schenken könnte: An erster Stelle steht das Problem der Armut, das sowohl an unser menschliches als auch an unser religiöses Selbstverständnis appelliert. An zweiter Stelle ist das Problem des Klimawandels zu erwähnen, der auf die anhaltende Umweltverschmutzung zurückzuführen ist – verursacht durch menschliche Achtlosigkeit und Gier. Und drittens die nukleare Bedrohung, welche zu menschlicher Selbstzerstörung führen könnte.

Eine Arche im Zeichen von Frieden, Dialog und Respekt

Diese Themen sind von globaler Relevanz und setzen lokales Handeln voraus. Ungeachtet der Religionszugehörigkeit, Rasse, Nationalität und Ideologie sitzen wir alle in demselben Boot des globalen Zusammenbruchs oder der globalen Rettung. Daher müssen wir unsere Arche im Zeichen von Frieden, Dialog und gegenseitigem Respekt bauen.

Ich hoffe, dass Papst Franziskus das ihm Mögliche tun wird, um mit Muslimen und anderen Gläubigen zusammen zu arbeiten, um eine Arche zu bauen, die die Menschheit retten wird.

Möge Gott uns alle segnen und uns im Band der Freundschaft vereinen. Wir alle schlagen unterschiedliche Richtungen im Leben ein; und wohin wir auch gehen mögen, nehmen wir einen Teil auf und tragen diesen mit.

Sheikh Mustafa Ceric

© Common Ground News 2013

Sheikh Mustafa Ceric ist emeritierter Großmufti aus Bosnien-Herzegowina und gegenwärtig Präsident des "Bosniakischen Weltkongresses". 2003 war er Co-Preisträger des Félix-Houphouët-Boigny-Friedenpreises.

Übersetzt aus dem Englischen von Joana Bobie-Amoah

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de