«Bomben unterm Schleier»: Auch Frauen sprengen sich für Boko Haram in die Luft

Seit Jahren terrorisiert die islamistische Miliz Boko Haram die Bevölkerung in Nigeria mit blutigen Anschlägen. Schätzungen zufolge rissen sie bereits mehr als 13.000 Menschen in den Tod. Während Männer mit Panzern und Artillerie in den vermeintlich heiligen Krieg ziehen, verbreiten auch immer häufiger Frauen und Mädchen mit Bomben Angst und Schrecken. Von Marc Engelhardt

Am Dienstag (25.08.2015) sprengten sich zwei Attentäterinnen am Busbahnhof der Stadt Damaturu im Nordosten des Landes in die Luft. Eine von ihnen soll erst 14 Jahre alt gewesen sein. Mindestens sieben Menschen starben. Kein Einzelfall: Seit Juni vergangenen Jahres verübten mehr als ein Dutzend Frauen auf Märkten und anderen belebten Plätzen in Nigeria Selbstmordanschläge.

«Dass Mädchen und Frauen zu Selbstmordattentäterinnen werden, ist bei islamistischen Gruppen absolut unüblich», sagt die Ethnologin Susanne Schröter, Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, würden Frauen aufgrund der scharfen Trennung der Geschlechterrollen nicht zu den Kämpferinnen gezählt. Doch für Boko Haram scheint das nicht zu gelten.

Zwar hatte Terrorchef Abubakar Shekau erklärt, Frauen hätten jenseits von Haushalt und Familie nichts zu suchen. Damit begründete er auch die Entführung von mehr als 240 Schülerinnen aus einem Internat in Chibok im April 2014. Dass dennoch eine wachsende Zahl von Frauen Selbstmordattentate für Boko Haram verübt, wertet die US-Sicherheitsexpertin Mia Bloom daher als ein Zeichen der Schwäche.

Frauen würden vor allem gegen weiche Ziele eingesetzt, wo sie weniger auffielen als Männer, sagt sie, zum Beispiel auf Märkten. «Terrorgruppen, die Frauen engagieren, machen das, weil sie an harte Ziele nicht herankommen - oder schlicht, weil sie nicht genügend Männer zusammenbekommen», erläutert Bloom.

Opfern sich Frauen für den Dschihad, motiviert das laut Bloom wiederum weitere Männer, sich den Terroristen anzuschließen - und sei es aus Scham. Bislang sollen Nigerias Islamisten rund 50 Selbstmordattentäterinnen ausgebildet haben, wie eine der Bürgerwehren in Maiduguri behauptet, die im Dezember eine der Bombenlegerinnen überwältigen konnte. Demnach sollen die Frauen den Auftrag bekommen haben, gemeinsam 100.000 Menschen zu töten. Schröter glaubt auch, dass Frauen in sozialen Konflikten Selbstmordattentate als «ehrenvolle Auswege aus ihrer Schande» verkauft werden.

Viele Frauen aber sprengen sich nicht freiwillig in die Luft, sondern werden von Männern gezwungen, sich in lebende Bomben zu verwandeln. Auch Geld kann eine Rolle spielen: Boko Haram soll Familien für Selbstmordanschläge bezahlt haben. Und der Wettlauf der Gewalt wird in den sozialen Medien noch befeuert: Im Januar wurde sogar ein zehnjähriges Mädchen zur lebenden Bombe, das andere mit in den Tod riss. (epd)