Barcelona: Muslime demonstrieren gegen Terror und finden offene Arme

Auf den Ramblas in Barcelona ist es fast wieder so wie vor den Anschlägen. Vielleicht sind ein paar Urlauber weniger als sonst auf der Flaniermeile unterwegs, aber dafür erobern die Einwohner ihre Stadt zurück. Sie wolle sich nicht von der Angst zu Hause einsperren lassen, sagt eine Katalanin nach den Anschlägen von Barcelona und Cambrils, bei denen mutmaßlich islamistisch motivierte Attentäter bislang 14 Passanten getötet und mehr als 100 Menschen teils schwer verletzt haben.

Angst hat auch der aus Marokko stammende Kellner im Café de la Opera. Das ist genau dort, wo der der Lieferwagen der Attentäter zum Stillstand kam. Er fürchte, als Muslim künftig auf Ablehnung zu stoßen, sagt er. Dabei serviert er hier an den Ramblas gegenüber dem berühmten Opernhaus Liceu schon seit zehn Jahren Milchkaffees und die beliebten Schinken-Käse-Sandwichs. Am Tag des Anschlags rannte er nach einigen Minuten hinaus, um umgestürzte Tische und Stühle beiseite zu räumen, damit sie die Rettungsfahrzeuge nicht behinderten.
 
Gegen Angst und Fremdenfeindlichkeit spricht auch der katholische Erzbischof von Barcelona, Juan José Omella, am Sonntag bei einem Trauergottesdienst in der Basilika Sagrada Familia. Der Kardinal erzählt die Geschichte von Jesus und der Heilung der Tochter einer Frau aus Kanaan. «Eine Ausländerin, eine Ungläubige», sagt der Erzbischof. Er will damit zur Toleranz aufrufen. In den Krankenhäusern habe er auch muslimische Verletzte getroffen, auch sie seien für den Beistand und die Gebete dankbar gewesen, berichtet er.
 
Die Botschaft des Kardinals findet offene Ohren. Die Spanier wissen schon lange, dass Terroristen einen Keil in ihre Gesellschaft treiben wollen, der ihre Freiheit und Demokratie letztlich zerstören würde. Das wollen viele nicht zulassen. Schon in den 90er Jahren gingen nach den Attentaten der baskischen Terrorgruppe ETA Hunderttausende Spanier auf die Straßen. «Sie sind keine Basken, sie sind Terroristen», riefen die Menschen, zum Zeichen, dass sie zwischen Basken und der ETA unterscheiden. Inzwischen hat die ETA die Waffen niedergelegt.
 
Auch nach den Anschlägen von 2004, als islamistische Attentäter Rucksackbomben in S-Bahnen in Madrid zur Explosion brachten und so fast 200 Menschen töteten, wurden Muslime in Spanien nicht unter Generalverdacht gestellt. Islamische Metzger und Obsthändler berichteten von Besuchen aus der Nachbarschaft, die einfach nur Nähe signalisieren sollten.
 
Ähnliches geschieht nun in Katalonien. Als sich in Barcelona am Samstag auf den Ramblas eine kleine Gruppe Rechtsradikaler mit der Forderung nach einem «christlichen Spanien» Gehör verschaffen will, stellen sich ihnen die Anwohner entgegen. Am Ende schreitet die Polizei ein, die Rechten müssen abziehen. Applaus hingegen bekommen empörte Musliminnen, die ihre Religion mit einem Kopftuch sichtbar machen und gleichzeitig Schilder in die Hand halten mit der Aufschrift «Nicht in meinem Namen».
 
Bewegende Szenen gibt es am Wochenende auch in Ripoll am Fuße der Pyrenäen. Aus dieser Stadt stammen die meisten der mutmaßlichen, außerordentlich jungen Mitglieder der Terrorzelle. Hier lebte auch der Iman, der sie nach ersten Erkenntnissen der Polizei radikalisiert haben soll. Aber auch hier demonstriert die muslimische Gemeinschaft gegen den Terror, darunter auch die Mutter eines 22-Jährigen. Er ist
flüchtig, die Polizei hält ihn für den Fahrer des Lieferwagens, der am Donnerstag über die Ramblas von Barcelona raste.
 
Seine Mutter ruft ihn auf, sich zu stellen. Ihr sei ein Sohn, der lange Jahre im Gefängnis verbringt lieber, als ein toter Sohn, sagt sie den Journalisten unter Tränen, während eine Freundin sie in den Arm nimmt. (epd)