Autoritäre Herrschaft und Foltervorwürfe - die prekäre Menschenrechtslage in Ägypten

Nach dem Bekanntwerden der Affäre um einen mutmaßlich für den ägyptischen Geheimdienst spionierenden Mitarbeiter im Bundespresseamt rückt die prekäre Menschenrechtslage in Ägypten in den Blickpunkt. Der ehemalige Armeechef Abdel Fattah al-Sisi regiert das Land am Nil seit seiner Machtübernahme im Jahr 2013 mit harter Hand. Menschenrechtsorganisationen beklagen, die Lage unter Al-Sisi sei schlimmer als in den fast 30 Jahren unter Husni Mubarak, der im Zuge der arabischen Revolutionen im Frühjahr 2011 aus dem Amt gejagt wurde.

Unter dem 65-Jährigen hat sich nach Angaben der Organisationen nicht nur die Menschenrechtslage verschlechtert, auch die Pressefreiheit wurde eingeschränkt. So gehört das nordafrikanische Land laut Reporter ohne Grenzen mittlerweile zu einem der Staaten mit den weltweit höchsten Zahlen inhaftierter Journalisten. Ägypten steht demnach auf Rang 166 von 180 Staaten auf der Liste der Pressefreiheit.

Das macht den nun öffentlich gewordenen Fall im Bundespresseamt besonders heikel: Laut Verfassungsschutzbericht soll ein Mitarbeiter der Bundesbehörde über Jahre hinweg für einen ägyptischen Geheimdienst gearbeitet haben. Im Dezember 2019 wurden demnach durch das Bundeskriminalamt im Auftrag des Generalbundesanwalts "Exekutivmaßnahmen" gegen den Mitarbeiter eingeleitet. Das Ermittlungsverfahren dauere an. Medienberichten zufolge soll der Mann beim Besucherdienst gearbeitet haben.

Nach Einschätzung von Menschenrechtlern hat für Al-Sisi die "nationale Sicherheit" eindeutig Vorrang vor demokratischen Freiheiten. Nach der durch ihn initiierten Entmachtung des ersten demokratisch gewählten Präsidenten Ägyptens, Mohamed Mursi, ging er zunächst gnadenlos gegen die islamistische Muslimbruderschaft vor.

Die Organisation Human Rights Watch (HRW) prangert in ihren Berichten die Inhaftierung tausender Regierungskritiker in den vergangenen Jahren an. Sicherheitsbeamte begingen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Folter und außergerichtliche Hinrichtungen, und gingen zumeist straffrei aus. Die Organisation beklagt zudem unmenschliche Haftbedingungen, unter denen hunderte Gefangene gestorben seien.

Laut einem Bericht von Amnesty International aus dem vergangenen Jahr werden Regierungskritiker monate- oder gar jahrelang ohne Beweise und Anklageerhebung festgehalten. Die Gefangenen waren dem Amnesty-Bericht zufolge durchschnittlich 345 Tage in Haft, bevor sie ohne Gerichtsverfahren freigelassen wurden.

Vorwürfe zu Folter würden von der Staatsanwaltschaft nicht untersucht. Dagegen würden unter Folter abgelegte Geständnisse als Beweismittel vor Gericht zugelassen. In einigen Fällen seien die Angeklagten anschließend hingerichtet worden.

In Deutschland sind laut dem Verfassungsschutzbericht der ägyptische Auslandsdienst General Intelligence Service (GIS) und der Inlandsdienst National Security Service (NSS) tätig. Ihr Hauptziel ist demnach, Erkenntnisse über in Deutschland lebende ägyptische Oppositionelle wie etwa Vertreter der Muslimbruderschaft zu gewinnen. Auch Angehörige der christlichen koptischen Gemeinden könnten dabei in den Fokus geraten. (AFP)