Aufstand im Irak: Der psychologische Krieg gegen Bagdads Demonstranten

Fremde Männer folgen ihnen, Unbekannte flüstern düstere Drohungen mitten in der Menge, und immer wieder erleben irakische Aktivisten, dass Mitstreiter verschleppt und ermordet werden: Seit Beginn der Protestwelle im Irak berichten Organisatoren und freiwillige Helfer von einem "psychologischen Krieg", der sie einschüchtern und zur Aufgabe zwingen soll. Wer dafür verantwortlich ist, bleibt oft unklar. Doch sie vermuten Sicherheitsdienste und bewaffnete Gruppen aus dem Umfeld der Regierung hinter der Kampagne.

"Wir wissen alle, dass wir verfolgt werden, besonders die Mädchen", sagt Mariam, eine junge Aktivistin auf dem Tahrir-Platz in Bagdad. Wie alle Aktivisten heißt sie eigentlich anders. Sie ist misstrauisch geworden und traut nicht mal allen Mitstreitern. "Falsche Freiwillige schließen sich uns an, machen Fotos von uns, sammeln Informationen und verschwinden dann wieder", sagt sie.

Seit Beginn der Proteste auf dem Tahrir-Platz in Bagdad haben die Demonstranten eine Reihe leerstehender Gebäude okkupiert. Freiwillige kümmern sich um die Verwundeten, verteilen Lebensmittel und reinigen die Straßen. Andere schreiben einen Newsletter mit den Forderungen der Demonstranten. Mariam ist auf dem Tahrir-Platz verantwortlich für die Registrierung und Verteilung der Hilfsgüter, die aus dem ganzen Land gespendet werden.

Die junge Frau ist schon lange eine Kritikerin der politischen Klasse und bewaffneter Gruppen in den sozialen Medien. Aus gut informierten Quellen weiß sie, dass ihr Name auf einer "Todesliste" von Aktivisten, Journalisten und Menschenrechtsverteidigern steht. Eine solche Liste wurde zwar nie veröffentlicht, doch wurden bereits mehrfach prominente Aktivisten im Süden des Irak ermordet - zwei in Basra und zwei weitere in Amara.

Dutzende weitere wurden verschleppt, darunter der Arzt Saba al-Mahdawi und vier andere freiwillige Sanitäter auf dem Tahrir-Platz. Einige wurden nur für 24 Stunden entführt, andere tauchten erst nach zwei Wochen wieder auf - meist im Morgengrauen in irgendeinem Stadtviertel. Ob die staatlichen Sicherheitskräfte hinter den Entführungen stecken, ist unklar. Die Betroffenen haben zu viel Angst, um über ihre Erlebnisse zu berichten.

Ein Geheimdienstvertreter bestätigt, dass Agenten auf dem Tahrir-Platz aktiv seien, um Aktivisten festzunehmen. "Damit soll ihnen Angst gemacht und der Rest gezwungen werden, nach Hause zu gehen", sagt er. Der Sanitäter Mohammed berichtet von Drohungen auf Facebook. Angebliche Demonstranten hätten ihn zudem in der Nähe des Tahrir-Platzes angehalten, um ihm dann zuzuflüstern: "Es wäre besser für dich, wenn du aufhörst."

Immer wieder käme es auch vor, dass sich Provokateure unter die Demonstranten mischten. "Manchmal versucht einer, einen Kampf auszulösen und fängt an, einen Soldaten zu schlagen", erzählt Mohammed. Meist würden die Demonstranten aber erkennen, dass es ein infiltrierter Agent sei, der sie provozieren wolle, damit die Sicherheitskräfte sie festnehmen können.

Die Aktivistin Hala berichtet auch, dass Männer bewusst Panik zu verbreiten versuchten. "In der Mitte der Nacht, wenn alles ruhig auf dem Tahrir ist, beginnt ein Mann manchmal zu schreien, dass alle fliehen sollen, um Panik zu verbreiten", sagt sie. Viele Aktivisten sagen, die Drohungen und Festnahmen führten zu einem "Klima der Angst" wie unter dem langjährigen Machthaber Saddam Hussein, als Dissidenten verschleppt und ermordet wurden.

Die Aktivisten vermeiden nun, nachts allein vom Tahrir-Platz nach Hause zu laufen. Mariam meidet sogar Krankenwagen, da sie bei früheren Protesten zur Entführung von Aktivisten benutzt wurden. Einschüchtern lassen will sie sich aber nicht. "Die uns drangsalieren sind gut ausgebildet, doch sie haben die Sache nicht durchdacht. Unsere Generation hat schon Schlimmeres gesehen", sagt sie. "Ihr psychologischer Krieg beeindruckt uns nicht." (AFP)