Amnesty International: 2014 war schwarzes Jahr für Menschenrechte

Amnesty International hat 2014 als schwarzes Jahr für die Menschenrechte bezeichnet. «2014 war ein katastrophales Jahr für Millionen von Menschen, die unter der Bedrohung durch Entführungen, Folter, sexualisierte Gewalt, Anschläge, Artilleriefeuer und Bomben auf Wohngebiete leben mussten», sagte die Generalsekretärin der deutschen Amnesty-Sektion, Selmin Caliskan, am Dienstag bei der Vorstellung des jährlichen Menschenrechtsreports in Berlin. Die eskalierenden bewaffneten Konflikte hätten zur größten Flüchtlingskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg geführt.

Im Fokus des diesjährigen Amnesty-Berichts stehen nichtstaatliche bewaffnete Gruppierungen wie der «Islamische Staat» (IS) im Irak und Syrien, die islamistische Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria oder die pro-russischen Separatisten im Osten der Ukraine. Die Reaktion der internationalen Staatengemeinschaft auf die zunehmende Gewalt und das Flüchtlingselend sei beschämend, sagte Caliskan: «Hier wurde völlig versagt.»

Statt den Schutz der Zivilbevölkerung ins Zentrum internationaler Politik zu stellen, blockierten nationale, geopolitische und wirtschaftliche Interessen ein gemeinsames Handeln und heizten Konflikte noch weiter an, kritisierte die Amnesty-Generalsekretärin. Wer Menschenrechte verletze, bereite den Boden für neue Gewalt: «Das ist die Gleichung!»

Der Bericht dokumentiert die Menschenrechtssituation 2014 in 160 Ländern. In 131 Ländern wurden laut Amnesty Menschen gefoltert und anderweitig misshandelt, in 119 Ländern schränkten die Regierungen die Meinungsfreiheit ein. In 18 Staaten registrierte die Menschenrechtsorganisation Kriegsverbrechen oder andere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, in 35 Ländern agierten bewaffnete Gruppen.

Mit weltweit 57 Millionen Vertriebenen infolge von Krieg, Terror oder Hunger gab es so viele Flüchtlinge wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg, sagte Caliskan. Allein aus Syrien flüchteten vier Millionen Menschen vor dem Bürgerkrieg. 95 Prozent von ihnen wurden in den Nachbarstaaten aufgenommen. Der Libanon habe über 715 Mal mehr syrische Flüchtlinge aufgenommen, als die gesamte EU in den vergangenen Jahren, sagte Caliskan. Auch diese Bilanz sei «beschämend».

In vielen Ländern, darunter Russland, Ägypten oder China werden dem Report zufolge Nichtregierungsorganisationen bei ihrer Arbeit behindert und Zivilgesellschaften unterdrückt. Den in Syrien, dem Irak, in Nigeria oder der Ukraine agierenden nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen wirft Amnesty Entführungen, Terror gegen die Zivilbevölkerung, rechtswidrige Tötungen, darunter Massentötungen von Gefangenen und Oppositionellen sowie Verletzungen des Kriegsrechts vor.

Russland wirft Amnesty vor, nach der Annexion der Krim die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit beschränkt zu haben. Rund 20.000 Menschen mussten wegen der russischen Besatzung fliehen, in der Ostukraine wurden fast eine Million Menschen vertrieben. Im Fokus der paramilitärischen russischen Gruppen auf der Krim stünden besonders die Krimtartaren.

Die Bundesrepublik kritisierte Amnesty wegen ihrer Flüchtlingspolitik, diskriminierenden Angriffen auf Asylsuchende und Minderheiten und zu wenige Verbesserungen bei Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen durch Polizeikräfte. So hätten bislang nur Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte eingeführt. Unabhängige Kommissionen zur Untersuchung von Polizeigewalt gebe es noch in keinem Bundesland. (epd)