Afghanische Regierung will hochrangige Taliban freilassen

Die Regierung in Kabul will drei Taliban-Gefangene freilassen. Einer von ihnen gehört zum Hakkani-Netzwerk, das für grausame Anschläge im Land verantwortlich ist. Was steht hinter dem geplanten Gefangenenaustausch?

Die afghanische Regierung will drei hochrangige Taliban-Gefangene freilassen. Das erklärte der afghanische Präsident Aschraf Ghani in einer Pressekonferenz am Dienstag in Kabul. Unter den Freizulassenden sei auch Anas Hakkani, der jüngere Bruder des Anführers des Hakkani-Netzwerkes und Vize-Chefs der Taliban, Siradschuddin Hakkani. Bedingung für die Freilassung ist dem Vernehmen nach, dass die Taliban ihrerseits zwei von ihnen entführte Professoren freilassen, die an der Amerikanischen Universität in Kabul tätig waren.

Das Hakkani-Netzwerk ist verantwortlich für einige der grausamsten Anschläge in Afghanistan. Laut deutschen Sicherheitskreisen stand das Hakkani-Netzwerk auch hinter dem schweren Anschlag vor der deutschen Botschaft in Kabul im Mai 2017. Damals waren mindestens 90 Menschen getötet und mehrere Hundert verletzt worden. Ein Sprecher der militant-islamistischen Taliban sagte, man werde «demnächst» eine eigene Erklärung abgeben.

Die Freilassungen könnten Beobachtern zufolge dazu beitragen, die im September abgebrochenen Gespräche über Frieden zwischen den USA und den Taliban wieder zu starten. Die beiden Professoren - der US-Amerikaner Kevin King und sein australischer Kollege Timothy Weeks - waren im August 2016 von den Taliban in Kabul verschleppt worden. Regelmäßig hatte die Amerikanische Universität in Afghanistan (AUAF) ihre Freilassung gefordert. Immer wieder gab es Berichte, King sei gesundheitlich schwer angeschlagen. Die AUAF erklärte in einer Mitteilung am Dienstag, die Nachrichten seien «ermutigend».

Präsident Ghani sprach von einer «schwierigen, aber wichtigen» Entscheidung. Mit dieser wolle man auch den Weg für persönliche und direkte Gespräche mit den Taliban ebnen, um Frieden und Stabilität zu erreichen. Bisher hatten sich die Taliban geweigert, direkte Friedensgespräche mit der afghanischen Regierung aufzunehmen, die sie als «Marionette» des Westens betrachten.

Die drei Taliban-Mitglieder seien im Ausland festgenommen worden und sie hätten seit einiger Zeit unter Beobachtung der afghanischen Regierung gestanden, sagte Ghani weiter. Früher hatte der afghanische Geheimdienst mitgeteilt, Anas Hakkani sei im Oktober 2014 bei einem Einsatz in der östlichen Provinz Chost festgenommen worden. Davor soll er sich vor allem um die Finanzierung der Aktivitäten des Hakkani-Netzwerks gekümmert und Gelder aus den Golfstaaten besorgt haben.

Im Februar hatten die Taliban Anas Hakkani auf die Liste ihrer Verhandlungsdelegation für die Gespräche mit US-Vertretern über Wege zum Frieden gesetzt. Sie gaben an, Anas sei ein wichtiges Mitglied des Verhandlungsteams und solle daher sofort freigelassen werden.

Das Hakkani-Netzwerk versucht Beobachtern zufolge, eine eigene Identität innerhalb der afghanischen Taliban aufrecht zu erhalten. Es gilt aber mittlerweile als integraler Teil der Islamisten. Der Chef des Hakkani-Netzwerkes, Siradschuddin Hakkani, ist zugleich Vizechef der Taliban. Das Hakkani-Netzwerk ist verantwortlich für einige der grausamsten Anschläge in Afghanistan.

In den 1980er Jahren half das Hakkani-Netzwerk dem US-Geheimdienst CIA, die Sowjets aus Afghanistan zu vertreiben. In jener Zeit entstanden auch enge Verbindungen mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI. Die Ankündigung fällt zeitlich eng zusammen mit einem Besuch des Chefs des pakistanischen Geheimdienstes ISI, Faiz Hameed, in Kabul.

Ein Sprecher des afghanischen Nationalen Sicherheitsrats bestätigte ein Treffen des nationalen Sicherheitsberaters, Hamdullah Mohib, mit Hameed am Montag auf Twitter. Bei den Gesprächen soll es um eine Normalisierung der afghanisch-pakistanischen Beziehungen gegangen sein.

US-Präsident Trump hatte im September kurz vor einer in Aussicht gestellten Einigung die Gespräche mit den Taliban für «tot» erklärt. Unmittelbarer Auslöser war ein Anschlag in Kabul, bei dem ein US-Soldat starb. Ende Oktober war der US-Sondergesandte für Afghanistan, Zalmay Khalilzad, erneut für mehrtägige Sondierungen in Afghanistan und Pakistan. (dpa)