Afghanische Friedensverhandlungen - Hoffnung und hohe Erwartungen

Nicht nur die Afghanen schauen voller Spannung auf die Verhandlungen mit den Taliban. Auch in den USA sind die Erwartungen hoch. Denn Präsident Trump umwirbt die Wähler mit dem Versprechen, die US-Soldaten heimzuholen. Das hat Folgen auch für die Bundeswehr. Von Arne Bänsch

Die Atmosphäre ist ernst, als die Delegationen der Taliban und afghanische Regierungsvertreter am Samstag in Qatar für den Beginn der lang geplanten Friedensgespräche zusammenkommen. Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und Coronamaßnahmen haben am Samstag die historischen innerafghanischen Friedensgespräche begonnen. Fast zwei Jahrzehnte hat es seit der US-geführten Militärinvasion Afghanistans gedauert, dass sich die beiden afghanischen Konfliktparteien erstmals am Verhandlungstisch gegenübersitzen.

Vertreter beider Seiten sprachen von einem «historischen Tag». Er werde als Ende der Gewalt in die Geschichte eingehen, sagte der Vorsitzende des afghanischen Hohen Rats für Versöhnung, Abdullah Abdullah. US-Außenminister Mike Pompeo forderte, den historischen Moment zu nutzen und den Friedensprozess zu schützen. «Wir hoffen, dass dieses Kapitel ein Kapitel der Versöhnung und des Fortschritts ist und nicht eine weitere Chronik der Tränen und des Blutvergießens», sagte Pompeo in Doha.

Als sich Taliban und Regierungsvertreter später in großer Runde hinter verschlossenen Türen trafen, soll sogar gescherzt und gelacht worden sein. Doch trotz der von Teilnehmern als positiv beschriebenen Atmosphäre stehen harte Verhandlungen an. «Ich sage nicht, dass morgen oder heute Abend alles zu Ende geht, aber die Tatsache, dass diese beiden Seiten zusammenkamen, ist wichtig», sagte Abdullah der Deutschen Presse-Agentur am Samstagabend.

Es war eine Zitterpartie bis zum Beginn der Friedensverhandlungen, lange Zeit stand kein Termin fest. Bis zuletzt ging der Konflikt in Afghanistan brutal weiter. Erhebliche Verzögerungen brachte ein Streit über einen Gefangenenaustausch, der vor den Gesprächen eigentlich Vertrauen aufbauen sollte. Am Donnerstag kam dann endlich die Bestätigung. Innerhalb kürzester Zeit organisierte das Gastgeberland Katar den Auftakt, nur wenige Gäste reisten in das Land, das wegen strenger Corona-Maßnahmen weitgehend abgeriegelt ist.

Die Taliban, die in Doha ihr politisches Büro unterhalten, sind bereits seit einigen Wochen in einem luxuriösen Hotel am Meer einquartiert. Nur selten gehen sie aus ihren Hotelzimmern, während draußen Temperaturen um die 40 Grad herrschen. Erst wenige Tage vor Beginn der Gespräche gaben die Islamisten ihr Verhandlungsteam bekannt, das von Maulawi Abdul Hakim, dem höchsten Rechtsgelehrten der Islamisten angeführt wird. Ihm gegenüber sitzt auf Regierungsseite Masum Staneksai, Ex-Geheimdienstchef und erfahrener Diplomat.

Die Regierung hat einen Waffenstillstand als Forderung zur obersten Priorität gemacht. «Wenn wir eine deutliche Verringerung der Gewalt erreichen könnten, wäre das sehr gut», sagte Abdullah. Doch der Spitzenpolitiker warnte vor zu großen Hoffnungen. In seiner Heimat Afghanistan sei die Erwartung einer schnellen Waffenruhe «unrealistisch hoch», fügte der 60-Jährige hinzu.

Die Forderungen der Taliban sind unklar. Immer wieder betonte die Gruppe, eine rein islamische Regierung auf der Basis der Scharia zu wollen. Doch wie sich diese von der derzeitigen Islamischen Republik Afghanistans unterscheiden soll, ließen die Islamisten bisher offen.

«Wir sind hoffnungsvoll für die künftigen Verhandlungen und hoffen, dass beide Seiten zeigen, dass sie sich auf gemeinsame Werte einigen, um die Probleme Afghanistans zu lösen», sagte ein Mitglied der Taliban-Delegation, Suhail Schahin, der Deutschen Presse-Agentur am Rande der Eröffnungszeremonie.

Das Gastgeberland Qatar ist eine von fünf Nationen, die sich im Friedensprozess engagieren. Deutschland, Norwegen, Usbekistan und Indonesien gehören ebenfalls zu der Gruppe, die den Friedensprozess als Vermittler unterstützen. Bereits Ende Februar unterzeichneten die USA mit den Taliban in Katar ein Abkommen, das die Islamisten zu Friedensverhandlungen mit Kabul verpflichtete. Das wollten die Islamisten bisher nicht. Für sie war die Kabuler Regierung nur ein Vasall der Amerikaner.

Doch in wenigen Wochen steht nun in den USA die Präsidentenwahl an. Präsident Donald Trump wirbt im Wahlkampf damit, die «endlosen Kriege» der USA in Übersee zu beenden. Erst am Donnerstag kündigte er einen weiteren Truppenabbau an. Dass die innerafghanischen Gespräche nun beginnen, ist das wichtigste Zugeständnis, dass die Amerikaner den Taliban im Gegenzug für ein Abzugsversprechen abringen konnten.

Zwar hatte die militant-islamistische Gruppe seit ihrem Abkommen mit den USA keine Nato-Soldaten mehr getötet, ihren Kampf gegen die afghanischen Sicherheitskräfte hat sie aber intensiv weitergeführt. Und politisch haben sie praktisch keine Zugeständnisse gemacht.

Wenn die Amerikaner gehen, hat das Folgen auch für Deutschland. Dann muss die Bundesregierung entscheiden, wie und ob der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan weitergeht. Derzeit sind etwas über 1.000 deutsche Soldaten in Afghanistan stationiert, die meisten von ihnen in Masar-i Scharif. (dpa)