50 Jahre Jom-Kippur-Krieg - Israel gibt Geheimdienstakten frei

Den Deutschen bescherte der Jom-Kippur-Krieg vier autofreie Sonntage; den Kriegsparteien dagegen ein bis heute andauerndes Trauma. Warum, zeigen bis dato geheime Akten, die Israel nach 50 Jahren veröffentlicht.

Jerusalem. 50 Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg hat Israels Verteidigungsministerium bisher unveröffentlichtes Material und Geheimdienstberichte online gestellt. Die neue Website umfasst laut israelischen Medienberichten 15.301 Fotos, 6.085 Dokumente, 215 Videos, 40 Audioaufnahmen und 169 Karten. Die Dokumente zeigen demnach, dass es zwar konkrete Kriegswarnungen zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur (Versöhnungstag) gab, die aber nicht richtig eingeschätzt und weitergegeben wurden. Israel sei daher vom konzertierten Kriegsausbruch weitgehend überrascht worden.

Nach anfänglichen Erfolgen und Vorstößen der Syrer auf den Golan-Höhen und der Ägypter am Suez-Kanal hatte die israelische Armee die Angreifer jedoch in wenigen Tagen zurückgeworfen und war selbst weiter vorgedrungen. Dennoch blieb für Israel durch den Krieg, der von 6. bis 25. Oktober 1973 dauerte, ein Trauma des Überraschungsangriffs.

Die Dokumente zeigen, dass der Militärgeheimdienst noch am Vortag nicht mit einem Kriegsausbruch rechnete. "Die Wahrscheinlichkeit, dass die Ägypter eine Wiederaufnahme der Kämpfe beabsichtigen, ist gering ... Die Wahrscheinlichkeit einer unabhängigen syrischen Aktion (ohne die Ägypter) bleibt gering."

Und selbst am Morgen waren die Israelis immer noch unsicher. "Es scheint uns, dass Ägypten und Syrien ihre Schritte koordinieren ... Die Armeen Ägyptens und Syriens sind im Wesentlichen kriegsbereit, die Streitkräfte in der Nähe der Grenzen sind von beispielloser Stärke. Wenn auf strategischer Ebene die Entscheidung getroffen wird, mit dem Kampf zu beginnen, dann können sie dies aus der aktuellen Vorbereitung heraus tun, ohne dass zusätzliche Vorbereitungen erforderlich sind." Allerdings sei sich die strategische Ebene in Ägypten und Syrien "der fehlenden Erfolgsaussichten im Krieg und den damit verbundenen Risiken bewusst", so das Dokument.

Neben Belegen zum Geheimdienstversagen im Vorfeld des Krieges finden sich Augenzeugenberichte über den am ersten Kriegstag überrannten israelischen Außenposten am Hermon-Gebirge. "Wir wussten, dass Alarm herrschte, aber wir dachten ganz sicher nicht an einen Krieg, vielleicht an einen Kampftag. Für uns war nicht klar, dass es Krieg gab", sagte ein Soldat der Golani-Brigadi. Sie hätten in dem Posten Schusswaffen, aber keine Kriegsmunition gehabt. Die Soldaten "wussten nicht, wie man kämpft, und hatten auch Angst".

In den dreiwöchigen erbitterten Kämpfen starben auf israelischer Seite rund 2.500 Soldaten, auf arabischer 8.500. Israel behielt die Kontrolle über die Golan-Höhen, die es im Sechstagekrieg 1967 erobert hatte. Die Waffenstillstands- und Entflechtungsverhandlungen mit Ägypten führten wenig später zum direkten Treffen der Präsident Menachem Begin und Anwar el-Sadat sowie 1979 zum israelisch-ägyptischen Friedensvertrag.

Der Jom-Kippur-Krieg löste eine weltweite Ölkrise aus, als erdölproduzierende Länder ihre Förderungen drosselten. Die Bundesregierung verfügte daraufhin mit ihrem Energiesicherungsgesetz im November und Dezember 1973 vier autofreie Sonntage. (KNA)