Filmemacher befürchten Zensur

Seit Wochen protestieren Hunderttausende gegen Pläne der neuen ultrarechten Regierung in Israel. Von den befürchteten Kürzungen im Kulturbereich dürften als erste Filmautoren betroffen sein, die sich mit heiklen Themen wie der israelischen Besetzung der Palästinensergebiete befassen. Von Joseph Croitoru

Von Joseph Croitoru

Einige israelische Dokumentarfilmer sind bereits ins Visier des neuen Kultur- und Sportministers Miki Zohar geraten. Schon kurz nach Amtsantritt verkündete der Likud-Politiker: "Heute Morgen habe ich den neuen Finanzminister Bezalel Smotrich angeschrieben und gebeten, einem Film, der sich gegen Armeesoldaten richtet, nachträglich die Zuschüsse zu streichen.“ 

Allerdings hatte Kulturminister Zohar zu jenem Zeitpunkt die monierte Filmdokumentation "Two Kids a Day“ (Zwei Kinder am Tag) von David Wachsmann, die kritisch die Inhaftierung und Internierung vier palästinensischer Minderjähriger durch die israelische Armee beleuchtet, noch gar nicht gesehen.



Das hinderte ihn aber nicht daran, den Filmautor Wachsmann zu bezichtigen, er stelle die israelischen Soldaten als Kindesmisshandler und palästinensische Terroristen als unschuldige Opfer dar – was den Tatsachen in keiner Weise entspricht.



Inspiriert war Zohar offensichtlich von einer kleinen, aber lauten rechtsradikalen israelischen Organisation mit dem biblischen Namen "BeZalmo“ (Nach seinem Ebenbild), deren Mitglieder gegen die Vorführung des Films in der israelischen Stadt Herzliya mit der Parole demonstriert hatten: "Nein zu den Terroristen, Ja zu den Soldaten“. 

 

 

Keine Förderung mehr für kritische Filme?

Die Drohung des Ministers stieß bei israelischen Cineasten auf heftigen Protest, bislang hat sie aber Filmautor Wachsmann eher genützt als geschadet: Etliche Kinos im Land melden sich bei ihm und wollen nun seine Doku auch zeigen. Von den Protesten ließ sich Kulturminister Zohar nicht sonderlich beeindrucken.



Im israelischen Rundfunk kündigte er an, sich für neue rechtliche Regelungen bei der Kulturförderung stark zu machen: "Ich denke über ein Gesetz nach, das Inhalte, egal welcher Art, wenn sie dem guten Namen des Staates Israel schaden können, von der staatlichen Förderung ausschließt.“ Es sei nicht einzusehen, dass der Staat Inhalte fördern solle, die ihn beschädigten.  

Seinen Kritikern entgegnet Zohar, dass er keineswegs die Kunstfreiheit anzutasten beabsichtige; jeder könne ja Filme drehen, wie er wolle, nur könne in solchen problematischen Fällen nicht mit einer Förderung gerechnet werden. In den Augen der Kritiker betreibt der Minister damit aber Augenwischerei: In dem kleinen Land Israel seien Filmemacher auf staatliche Zuschüsse angewiesen. In der Praxis würde ein solches Gesetz Zensur bedeuten. 

Minister Miki Zohar hat nun gleich noch einen weiteren Dokumentarfilm über die Praktiken der israelischen Besatzung ins Visier genommen, und auch dessen Autoren droht er mit der nachträglichen Streichung der erhaltenen Fördermittel. Es handelt sich um die Filmdokumentation "H2 The Occupation Lab“ der Dokumentarfilmerin Idit Avrahami und des investigativen Journalisten Noam Sheizaf. 

 



 

Verbote machen die Filme bekannter

Die beiden beleuchten die Geschichte der israelischen Okkupation der Stadt Hebron, wo heute in der Zone H2 rund 800 Siedler, von zahlreichen Soldaten geschützt, inmitten von mehr als 200.000 Palästinensern leben, deren Freiheiten stark eingeschränkt sind. Anhand umfangreichen Archivmaterials und zahlreicher Interviews mit Zeitzeugen wird die von dem israelischen Rechtsanwalt und Menschenrechtler Michael Sefard zu Beginn des Films vertretene These untermauert: 

"Hebron ist das Labor der israelischen Besatzung. Alles, was der israelische Staat in der West Bank und sogar auch in Ostjerusalem tut, wurde in Hebron erst ausprobiert. Geht man dorthin, sieht man, was anderswo in zwei Monaten oder einem Jahr geschehen wird.“ 

Wie auch bei dem Film "Zwei Kinder am Tag“ von David Wachsmann hat die Intervention des Kulturministers bislang das Gegenteil bewirkt: Noch mehr Kinobesitzer interessieren sich für den Film über Hebron – und zwar nicht nur in Israel. In Deutschland soll er Anfang März in einem Berliner Kino gezeigt werden. 

Joseph Croitoru 

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